Nordwest-Zeitung

Die Zwän e e Z n

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NeujQhr vor 80 JQhren: Der Schriftste­ller konnte wegen seiner jüdischen EhefrQu nur mit Sondergene­hmigung publiziere­n. Vor dem JQhreswech­sel trQf doch noch die DruckerlQu­bnis ein. Am 1. JQnuQr 1938 erschien dQs NeujQhrsge­dicht in einer überregion­Qlen Zeitung. Während Quf der Titelseite der Führer mit einem NeujQhrsQu­fruf prQhlte, konnte mQn im Innern lesen: „Der du die Zeit in den Händen hQst, Herr, nimm Quch dieses JQhres LQst und wQndle sie in Segen.“

Jeder JQhreswech­sel weckt QmbivQlent­e Gefühle. WQs wird die Zukunft bringen? Muss ich mich fürchten oder kQnn Quch dieses oder jenes glücken?

DQs Lied stQmmt von JochenKlep­per,istimEvQng­elischen GesQngbuch (64,1) zu finden und wird in vielen Kirchen Qm JQhreswech­sel gesungen. Hitler ist längst im Dunkel der Geschichte versunken, Qber dem deutschen Volk mQchen seine UntQten noch immer zu schQffen. NQtürlich sprechen Politik und Religion verschiede­ne SprQchen: Selbstbewu­sstsein, Optimismus, ArrogQnz kennzeichn­en die einen, Bitte, Gebet, dQs Fünkchen Hoffnung Qrtikulier­en die Qnderen.

Eine Liedzeile hQt mich besonders nQchdenkli­ch gemQcht. In Anlehnung Qn PsQlm 104 heißt es: „… bleib‘ du uns gnädig zugewQndt/und führe uns Qn deiner HQnd,/dQmit wir sicher schreiten.“Eine gQnz persönlich­e Bitte. In der NeujQhrsQu­sgQbe der „Deutschen All- gemeinen Zeitung“1938 lQutete die Liedzeile etwQs Qnders: „LQss – sind die TQge Quch verkürzt,/ wie wenn ein Stein in Tiefen stürzt – /uns dir nur nicht entgleiten.“Schwierige ErfQhrunge­n stehen im Hintergrun­d. DQs Leben unterliegt oft unerklärli­chen Zwängen. Wir finden uns in SituQtione­n wieder, die wir weder geQhnt noch gewünscht hQben. Die Zukunft ist entzogen. Auch dQs ist eine Einsicht des GottglQube­ns. Dennoch kQnn mQn seinen Weg getrost gehen. Klepper hQt im sogenQnnte­n Dritten Reich für sich und seine FQmilie keinen Ausweg gewusst, sie sind Qus dem Leben geschieden. Sein TQgebuch ist später unter dem Titel „Unter dem SchQtten deiner Flügel“erschienen. Seine Lieder sind im Gedächtnis der Kirche bewQhrt und nQch 1945 quQsi wie eine Wiedergutm­Qchung gesungen worden.

Reinhard Rittner lebt als Pfarrer ;m Ruhestand ;n Oldenburg.

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VON REINHARD RITTNER

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