Kurs der Vernunft
E in herzliches Willkommen für Angela Merkel, freundliche Worte für den Gast aus Berlin in Athen. Vorbei sind die Zeiten, in denen die Griechen in Massen gegen die deutsche Kanzlerin demonstriert, sie auf Plakaten und Zeitungstiteln mit Hitlerbart und Naziuniform versehen und als Hassfigur gebrandmarkt haben. Merkel ist für viele Griechen noch immer eine Reizfigur, steht für Leid, Verzicht und Entbehrungen auf dem schwierigen und harten Weg aus der Krise.
Doch fünf Jahre nach ihrem letzten schwierigen Besuch kommt die deutsche Kanzlerin in ein anderes Griechenland. Ein Jahrzehnt nach Beginn der griechischen Schuldenkrise, die das Land und fast auch Europa nahe an den Abgrund geführt hatte, ist Athen wieder mehr oder weniger in der wirtschaftlichen Freiheit angekommen, die Arbeitslosigkeit geht zurück und es gibt zumindest ein zartes Wachstum. Auch wenn das Land den Euro-Rettungsschirm im vergangenen Sommer verlassen konnte, so ist es immer noch hoch verschuldet und ein schwerer Rückfall in die Krise nicht ausgeschlossen. Mag sein, dass ein vorübergehender Grexit für das Land der bessere Weg gewesen wäre. Doch ist es müßig, darüber weiter zu streiten. Ministerpräsident Alexis Tsipras – einst Merkels energischer Widersacher, heute Verbündeter – scheint den verordneten Reform- und Sparkurs ernsthaft umsetzen zu wollen und damit auch erfolgreich zu sein.
Ob ihm die Mehrheit der Griechen auf diesem Weg folgen mag, werden die Wahlen in diesem Jahr zeigen. Doch eine Abkehr von den Reformanstrengungen würde die mühsamen Fortschritte wieder zunichtemachen, das Land ins Chaos stürzen. Tsipras darf jetzt nicht der Versuchung erliegen, kurz vor der Wahl in alte schlechte Gewohnheiten zurückzufallen und teure Geschenke zu machen, den Kurs der Vernunft zu verlassen.
@Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de