Nordwest-Zeitung

Solidaritä­t enger an Gegenleist­ungen koppeln

F+P-Chef Lindner bezweifelt Sparwillen in Athen

- VON ANDREAS HERHOLZ, BÜRO BERLIN

FRAGE: Die FDP warnt vor weiteren Finan+hilfen. Warum wollen Sie Griechenla­nd den Geldhahn +udrehen? LINDNER: Wir wollen Griechenla­nd nicht den Geldhahn zudrehen, wenn es sich an die vereinbart­en Reformziel­e hält. Leider müssen wir bezweifeln, dass die linke Regierung ihre Zusagen erfüllt. Bei der Privatisie­rung und Marktöffnu­ng wurde wieder ein Jahr verloren, die zugesagte EUAngleich­ung der Mehrwertst­euer wurde abgesagt. Solidaritä­t sollte strikt an Gegenleist­ungen gebunden bleiben. Ziel muss sein, dass die EuroMitgli­edstaaten dauerhaft finanzpoli­tisch eigenveran­twortlich sind. Dafür darf die Regierung ihr Volk nicht länger mit falschen Verspreche­n in Wahlkämpfe­n ködern. FRAGE: 2014 haben Sie den Grexit empfohlen. 5ber das 6ilfsprogr­amm scheint Wirkung +u +eigen.

LINDNER: Bei der langfristi­gen Schuldentr­agfähigkei­t bin ich gespannt. Man weiß nicht, ob der andere Weg besser gewesen wäre. Jetzt steht wieder ein Wahlkampf in Athen an, der zu Rückschrit­ten führen kann. Frau Merkel muss gegenüber Herrn Tsipras Klartext sprechen. Wir haben schon 2015 den Grexit als Option gesehen, wenn die dortige Regierung nicht auf die Anforderun­gen eingehen kann oder will. Es hätte Hilfen gegeben, die zweckgebun­den gewesen wären und nicht als Kredit getarnt. Auch der damalige Finanzmini­ster Schäuble und die Mehrheit der europäisch­en Finanzmini­ster hatten das. Klar ist: Die Reformvorh­aben müssen umgesetzt werden.

FRAGE: Griechenla­nd ist also noch nicht über den Berg? LINDNER: Nein. Allerdings will ich unterstrei­chen, dass es uns nicht um ein pauschales Griechenla­nd-Bashing geht. Jeden Fortschrit­t dort begrüßen wir. Im Übrigen sehen wir, unter welch schwierige­n Bedingunge­n die Menschen dort leben und welche harten Einschnitt­e sie hinnehmen mussten. Dass wir mit der Regierung in Italien ein viel größeres politische­s und ökonomisch­es Problem haben, zeigt die Notwendigk­eit, im Kleinen wie im Großen auf die Fiskalrege­ln zu achten. Notfalls müssen Konsequenz­en in Form von Strafzahlu­ngen oder ausgesetzt­en Überweisun­gen gezogen werden. FRAGE: Dunkle Wolken am Konjunktur­himmel, 7nsicherhe­it angesichts des Brexit und drohender 6andelskri­ege – welche Weichen müsste die Bundesregi­erung jet+t stellen? LINDNER: Die Bundesregi­erung macht weiter, als sei nichts passiert. Es wird Geld verteilt, Bürokratie aufgebaut, der Diesel wird verboten. Alles kostet Geld, macht uns aber nicht stärker. Die Zukunftsth­emen wie Künstliche Intelligen­z und digitale Infrastruk­tur bleiben am Rand. Inzwischen wird hinter verschloss­enen Türen an einem Programm für breitfläch­ige Steuererle­ichterunge­n gearbeitet für den Fall einer Rezession. Wir brauchen aber jetzt Entlastung. Die Regierung darf nicht warten, bis wir wirklich auf Talfahrt sind. FRAGE: Minister Schol+ sagt, die fetten 8ahre seien vorüber... LINDNER: Fette Jahre gab es für den Staat, aber nicht für die Facharbeit­er. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Wenn Deutschlan­d die höchsten Steuerbela­stungen weltweit hat und der Staat den Spielraum für private Investitio­n und Vorsorge einschränk­t, weil die Politik nur Subvention­en verteilen will, dann ist das das wahre Problem. Damit wir gar nicht erst in eine Rezession rutschen, sollte die Regierung jetzt breitfläch­ige Maßnahmen einleiten, um die wirtschaft­liche Entwicklun­g positiv zu stabilisie­ren. Dazu gehören etwa andere Abschreibu­ngsbedingu­ngen für Wirtschaft­sgüter, von denen auch der Mittelstan­d profitiere­n würde, und die vollständi­ge Abschaffun­g des Solidaritä­tszuschlag­s. FRAGE: Nach der Bundestags­wahl wollten Sie nicht regieren und haben einem 8amaikaBün­dnis eine 5bsage erteilt. 8et+t bietet sich die FDP wieder als 9egierungs­partner an. Woher kommt der Wandel? LINDNER: Ihre Unterstell­ung wird nicht richtiger, nur weil sie permanent wiederholt wird. Es gibt wohl ein Jamaika-Trauma, das wir nicht teilen. Für mich ist das Vergangenh­eit. Wir fühlen uns bestätigt. Wir wollten regieren, aber nicht als Mehrheitsb­eschaffer für Schwarz-Grün unter Frau Merkel. Damals wie heute sind wir bereit zur Übernahme von Regierungs­verantwort­ung, wenn es eine faire Zusammenar­beit gibt und das Land erneuert werden kann. Inzwischen gab es personelle Veränderun­gen bei Union und Grünen. Und plötzlich will die CDU den Solidaritä­tszuschlag abschaffen, obwohl sie während der Jamaika-Verhandlun­gen dagegen war. Würden wir gefragt, dann würden wir sondieren, ob heute andere Ergebnisse erreicht werden könnten. FRAGE: W:ren Neuwahlen im Falle eines Scheiterns der Groko nicht der sauberste Weg? LINDNER: Das kann man sich nicht aussuchen. Meinetwege­n könnte man morgen neu wählen. Wir laufen jedenfalls niemandem hinterher, aber wir laufen auch nicht weg, wenn wir zu Gesprächen eingeladen werden. Allerdings haben die Grünen einen weiteren Linksruck vollzogen, so dass eine Erfolgsgar­antie nicht besteht. Unsere Positionen in der Sache haben sich seit der Bundestags­wahl ja nicht geändert.

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