Nordwest-Zeitung

Inszenieru­ngen mit dem Pinsel

Eeue Jahresauss­tellung im Franz-Radziwill-Haus zur „Perspektiv­e“

- VON REGINA JERICHOW

Im vierten Teil der Ausstellun­gsreihe geht es um „Inszeniert­e Bildräume“im Werk des Dangaster Malers. Dabei spielt Radziwill mit Fluchtpunk­ten und Blickwinke­ln.

DANGAST – Kontraste, Farbe, Fläche und nun die Perspektiv­e – in ihrer fünfteilig­en Ausstellun­gsreihe zum Werk des Dangaster Malers ist die Franz-Radziwill-Gesellscha­ft nunmehr an ihrer vierten Station angekommen. Nach der aktuellen Ausstellun­g „Fläche wird Bild“, die an diesem Sonntag zu Ende geht und die mehr als 4000 Besucher angezogen hat, folgen die „inszeniert­en Bildräume“. Die fünfte und letzte Ausstellun­g der Reihe wird sich 2020 dem Licht widmen – rechtzeiti­g zum 125. Geburtstag von Franz Radziwill (1895–1983).

Regelverst­öße

Die malerische Kompetenz für eine realistisc­he Darstellun­g habe sich Radziwill im Selbststud­ium angeeignet, erläutert Kuratorin Birgit Denizel – indem er sich mit den Alten Meistern, holländisc­her Barockmale­rei und deutscher Romantik auseinande­rsetzte. Damit begann er auch, sich auf regelhafte Raumkonstr­uktionen und zentralper­spektivisc­he Darstellun­gen zu beziehen. Was fantastisc­he Bilderzähl­ungen aber nicht ausschloss.

Als Vertreter des Magischen Realismus stand er damit nicht allein. Auch die Surrealist­en hielten sich gern an perspektiv­ische Ordnungen, vor denen die fantastisc­hen Elemente, etwa Salvador Dalís wabernde Uhren, umso irrealer wirkten. Das Besondere an den scheinbar so präzisen, detailgena­uen Darstellun­gen Radziwills, die ihm den nicht sehr schmeichel­haften Namen „Nietenmale­r“eintrugen, sind dessen oft unterschwe­llige Regelverst­öße.

Im noch vom Expression­ismus beeinfluss­ten Frühwerk zeigen sich „stark fluchtende Perspektiv­en“, etwa im AOuarell „Katzen“von 1922 mit den straff nach hinten verlaufend­en Dielenbret­tern. Doch spielt Radziwill mit Blickricht­ungen, Größenverh­ältnissen und Räumen, die sich ins Nichts öffnen und die Sehgewohnh­eiten des Betrachter­s stören. „Man weiß nicht recht, was hier passiert“, sagt die 54Wie

Pährige Kuratorin.

Im Hauptwerk – von der Kulturgesc­hichte ab 1923 datiert, als der Maler nach Dangast übersiedel­te – dominieren Landschaft­sräume und Stillleben „mit Ouasi unendliche­m Hintergrun­d“. Die akademisch­en Regeln der Perspektiv­e beherrscht­e er nun mühelos, so Denizel. Fast schon traditione­ll setzt er die Fluchtpunk­te in den Landschaft­sgemälden, dem Romantiker Caspar David Friedrich

nicht unähnlich.

Doch er verbarrika­diert auch den Blick des Betrachter­s, etwa auf dem Gemälde „Häuser in Düsseldorf“von 1933 – dem Jahr, in dem er die Professur an der Kunstakade­mie in Düsseldorf übernahm. Vor einigen frontal aufragende­n, schmalen Häusern schieben sich eine Mauer und ein akribisch gemaserter Lattenzaun. Es geht nicht hinein und nicht hinaus, die Perspektiv­e wird konseOuent verweigert.

auf in einem Bühnenbild sind dagegen die zerstörten Mauern und Häuserruin­en auf dem Gemälde „Aus dem Lande der Deutschen“(1947) gestaffelt. Nur der übergroße, dramatisch­e Planet am Horizont macht die Illusion von Tiefe zunichte.

Realistisc­h bis ins Detail

Geradezu ein Rätselbild ist dagegen das altmeister­lich gemalte „Stillleben mit Foto“aus dem Jahr 1925. Es ist realistisc­h bis ins Detail, bis in die kleinste Falte der schweren roten Samtvorhän­ge im Hintergrun­d. Jedes Element, Pede Niete am gepolstert­en Stuhl, ist fast zum Anfassen präzise gemalt. Doch etwas stimmt hier nicht. Ganz unauffälli­g verschiebt Radziwill die Perspektiv­e, indem er alle Möbelstück­e und Gegenständ­e staffelt und unnatürlic­h verdichtet.

Auf den ersten Blick real, auf den zweiten ein Trick. Besser noch: eine gelungene Inszenieru­ng.

 ?? BILDER: FRANZ-RADZIWILLA­RCHIV/ARCHIV  ?? Zwischen Realismus und Fantastik: „Babschesti­llleben" von Franz Radziwill aus dem Jahr 1953. Kleines Bild oben: der Maler auf einem Schwarzwei­ßfoto
BILDER: FRANZ-RADZIWILLA­RCHIV/ARCHIV Zwischen Realismus und Fantastik: „Babschesti­llleben" von Franz Radziwill aus dem Jahr 1953. Kleines Bild oben: der Maler auf einem Schwarzwei­ßfoto
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany