Mit SPhaufeln gegen die weiße Pracht
Eunderte Helfer arbeiten rund um die Uhr – Berchtesgadener behalten trotzdem die Ruhe
Der Schnee hat das Berchtesgadener Land in Watte gepackt. Die Last auf Dächern und Bäumen ist sehr gefährlich.
BER-BTESNADEN – Die Menschen laufen durch tiefe weiße Gräben, wenn sie aus ihren Häusern wollen. Mannshoch türmt sich der Schnee. Autos sind darunter verschwunden, Mauern kaum zu ahnen. Selbst die kleine Kirche sieht unwirklich aus unter so viel blütenweißem Schnee.
Stundenlang haben die Bewohner im Berchtesgadener Ortsteil Buchenhöhe in den vergangenen Tagen mit ihren Schaufeln gekämpft, um den Zugang zu ihren Häusern offen zu halten. Seit einer Woche sind die etwa 300 Bewohner von der Außenwelt abgeschnitten. Schneebruch bedroht die Straße, die hinaufführt auf rund 1000 Meter Höhe.
Die meisten nehmen die Sperre gelassen. „Wir haben vorige Woche das Problem schon kommen sehen und überdimensional eingekauft“, sagt Helmut Hildebrandt. Der 65-Jährige wohnt seit Jahrzehnten hier, in den 1990er Jahren habe er sogar noch mehr Schnee erlebt.
Auch in dem kleinen Laden heißt es bei der Kundschaft: „Wir sind ganz entspannt.“Frischer Brokkoli liegt da, Orangen, Zitronen und Kartoffeln, die Regale sind voll. Die Bundeswehr hat mit Kettenfahrzeugen Nachschub gebracht – und Menschen nach Berchtesgaden und zurück transportiert.
Urlauber haben trotz des Schnees ausgeharrt. Alexandra Ortmann aus Duisburg etwa. „Es war wunderbar hier“, sagt sie. Sie habe mit ihren beiden Söhnen die Winterlandschaft genossen.
Die Last des Schnees gefährdet nicht nur die Bäume und damit die Straßen, sondern noch viel mehr die Dächer, nicht nur in Buchenhöhe, sondern in mehreren Regionen Bayerns, in denen der Katastrophenfall gilt.
Die Last könnte zu groß werden – Einsturzgefahr. Das Unglück von Bad Reichenhall, 20 Kilometer von Berchtesgaden entfernt, ist unvergessen. Im Januar 2006 starben dort 15 Menschen, als die Eishalle unter Schneemassen zusammenbrach. In Berchtesgaden war die Eishalle eines der ersten Gebäude, dessen Dach geräumt wurde.
Etwa 800 Helfer von Feuerwehr, THW und Bundeswehr kämpfen gegen die Schneemassen. Sie schaufeln und schaufeln: Auf dem Dach der Turnhalle die Feuerwehr, gegenüber auf der Watzmann-Therme Gebirgsjäger – ein gefährlicher Job, wie Stabsfeldwebel Andreas Schuchart sagt: „Das Problem ist, dass wir ein großes Flachdach haben, wo wir die Soldaten nur schwierig sichern können. Es ist ein Blechdach – sehr rutschig.“
Mehr als 450 Dächer müssen den Behörden zufolge im Katastrophengebiet geräumt werden, rund 100 sind geschafft. Ein Dach freizuschaufeln dauere im Schnitt vier Stunden, sagt der örtliche Einsatzleiter Süd Anton Brandner. Es wird ein Kampf gegen die Zeit. Nur kurz gibt es eine Verschnaufpause bei Sonne – in der Nacht zum Sonntag kommt wieder ein Tief mit Regen oder Schnee.
Rund 170 bis 250 Kilogramm pro Quadratmeter lägen auf den Dächern, sagt der Sprecher des Landratsamtes, Andreas Bratzdrum. Berchtesgadens Bürgermeister Franz Rasp spricht sogar von 450 Kilogramm im Extremfall oberhalb der Stadt, wo er wohnt. Das Problem sei nicht die Schneemenge. „Wir haben immer viel Schnee.“Doch es sei sehr viel in kurzer Zeit gekommen, und der Schnee sei nass und schwer.
Auch auf dem Dach des Wohnhauses von Rentner Hildebrandt türmt sich der Schnee. „Ich wollte aufs Dach, aber meine Frau ist dagegen“, sagt er. Nun schaufelt er sein Auto frei.
Wie lange der Katastrophenfall noch gelten wird, sei offen, sagt Landrat Georg Grabner. Erst einmal bereitet sich die Region auf die nächsten Schneefälle vor. Die Dächer müssen frei werden. Zur Pressekonferenz lässt sich Bürgermeister Rasp entschuldigen: Er ist selbst auf seinem privaten Hausdach, um es vom Schnee zu befreien.