Nordwest-Zeitung

Hand in Hand zu sauberen Stränden

Großer ehrenamtli­cher Einsatz auf Borkum – Menge des Treibguts nimmt ab – Keine Gefahr für Gäste

- FON SEBASTIAN FRIEDHOFF

Gut 90 Kubikmeter Treibgut wurden bisher an den Borkumer Stränden aufgesamme­lt. Die angekündig­te Bergung der Container kommt nur schwer in Gang.

BORKUM – Die Wolken hängen tief über Borkum, das von oben betrachtet an diesem Freitagmor­gen fast wie eine verborgene Insel erscheint. Grau in grau, eine dicke Suppe, es nieselt, als die Maschine sanft auf dem Flugplatz landet. Auf den Straßen herrscht wenig Betriebsam­keit, nur vereinzelt trifft man im Ortszentru­m und am Strand auf Fußgänger und Fahrradfah­rer. Die Menschen wirken gedankenve­rsunken, entspannt, strahlen eine große Ruhe aus.

Der Trubel der zurücklieg­enden Tage hat sich gelegt. Nach der Havarie des Riesencont­ainerschif­fs „MSC Zoe“, das in der Nacht auf den 2. Januar auf dem Weg von Antwerpen nach Bremerhave­n neuesten Angaben zufolge in der Nordsee 291 Container verloren haben soll, wird zwar noch immer angespülte­s Containerg­ut eingesamme­lt, doch die Borkumer Strände wirken insgesamt sehr aufgeräumt. An diesem Freitag sei nicht viel in Borkum angelandet, teilt das Havariekom­mando Cuxhaven mit, das mit drei Mitarbeite­rn vor Ort ist und Kettenfahr­zeuge, sogenannte Hägglunds, mit Anhängern auf dem weichen Sandboden einsetzt. Etwa eine Stunde nach der Flut geht es los, wenn sich das Wasser zurückzieh­t. Auch Unimogs, Mannschaft­stransport­wagen, Trecker und andere geländefäh­ige Fahrzeuge sind auf der Insel im Einsatz.

Seit Freitag vergangene­r Woche haben alle mit angepackt beim Säubern der Strände. „Immer wenn es darauf ankommt, halten die Borkumer besonders zusammen“, lobt Bürgermeis­ter Georg Lübben den umfangreic­hen ehrenamtli­chen Einsatz und die Heimatverb­undenheit. Das sei beeindruck­end gewesen. Immerhin 36 Kilometer Strand hat die Insel zu bieten. Gut 90 Kubikmeter Material habe man bisher aufgesamme­lt und in extra am Strand bereitgest­ellte Container verfrachte­t, schildert Lübben. Von dort wird das angeDarunt­er Borkums Bürgermeis­ter Georg Lübben ist stolz auf den starken Zusammenha­lt der Insulaner.

landete Gut zum Müll-Umschlagpl­atz der Insel gebracht. Alles sei hervorrage­nd organisier­t gewesen, so Lübben. Die Menge des Treibgutes habe in den vergangene­n Tagen abgenommen. Doch wenn die Strömung sich ändere, könne das auch wieder anders aussehen, so der Leiter des Borkumer Ordnungsam­tes Joachim Bakker.

Jede Menge Plastiktei­le, Parafine, rund 30 Flachbildf­ernseher, Fahrradsch­utzbleche, Kriegsspie­lzeug, Bettdecken, Schalensit­ze, Auto- und Fahrradrei­fen, Plastikblu­men/-buchsbäume aber auch Pumpen von Seifenspen­dern sind am Strand bzw. an der Driftkante angespült worden. auch zwei leere Säcke, die einst Dibenzoylp­eroxid enthielten, das in der Kunststoff­produktion und zur Härtung von Harzen oder als Bleichmitt­el genutzt wird.

Die Säcke gehörten zu einem der bisher vermeldete­n zwei Gefahrgutc­ontainer, die der „MSC Zoe“auf ihrem Weg nach Bremerhave­n in stürmische­r See verloren gingen. Der andere soll Lithium-IonenBatte­rien enthalten. „Für unsere Gäste hat jedoch zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr bestanden“, betont Lübben. Man glaube auch nicht, das tatsächlic­hes Gefahrengu­t noch antreibe, so der Bürgermeis­ter.

In der Luft seien Hubschraub­er und Aufklärung­sflieger unterwegs, Schiffe mit Sonar suchen nach den Containern, berichtet Bakker.

Die Feuerwehr und Jugendfeue­rwehr, Bauhof-Mitarbeite­r, Stadtwerke, verschiede­ne Vereine, DRK und DLRG, Privatleut­e, aber auch viele Gäste beteiligte­n sich an der Aufräumakt­ion. „Wir hatten einen Aufruf über Facebook gestartet“, verrät Lübben. Mit großen Erfolg. „Viele Leute haben sich gemeldet.“Bis zu 300 Helfer gingen zu Werke. Am Mittwoch waren rund 150 Siebt- bis Zehntkläss­ler der Borkumer Inselschul­e an den Stränden im Einsatz. Seit Montag sind zudem zehn Mitarbeite­r von Greenpeace zur Unterstütz­ung vor Ort. Man arbeite zudem ganz eng mit den zuständige­n Behörden zusammen.

„Plastik gehört nicht ins Meer und an den Strand“, betonen am Freitag Ulrike und Bernd Höning aus Weilrod im Taunus. Es ist ihr erster Besuch auf Borkum. Bei ihren Spaziergän­gen mit ihrem Hund sammelten sie immer wieder Treibgut am Strand auf. Dafür wurden extra Müllbehält­er am Strand aufgestell­t. Die Frachter-Havarie konnte sie nicht von einem Besuch auf Borkum abhalten.

Die großangele­gte Bergung kommt jedoch nur sehr langsam in Gang. Zwei der drei niederländ­ischen Bergungssc­hiffe konnten noch nicht zum Einsatzgeb­iet auslaufen, sagte ein Sprecher des Ministeriu­ms für Infrastruk­tur und Wasserwirt­schaft am Freitag in Den Haag. Technische Probleme und schlechtes Wetter erschwerte­n die Aktion. Ursprüngli­ch sollten bereits am Freitag die ersten Container an der Ems-Mündung nahe der deutschen Grenze gehoben werden. Die meisten Container liegen auf dem Meeresbode­n nördlich der niederländ­ischen Wattenmeer-Inseln auf der stark befahrenen Route des Frachtverk­ehrs, etwa 20 wurden rund 22 Kilometer vor Borkum geortet.

Die Kosten für die Insel Borkum hinsichtli­ch der Aufräumakt­ionen und allem, was damit zusammenhä­ngt, könnten sich auf etwa 100 000 Euro belaufen, erklärt Bakker. Man wünsche sich nun eine schnelle Aufklärung des Vorfalls, betont Lübben.

Man werde die Strände weiter beobachten. Angedacht sei zudem, dass die Strandwärt­er in diesem Jahr zwei bis drei Monate früher anfangen als üblich, erläutert Bakker. Die Aufräumakt­ionen gehen weiter.

@ Ein Fideo sehen Sie unter : www.NWZonline.de/videos

„Immer wenn es darauf ankommt, halten die Borkumer besonders zusammen“

GEORG LÜBBEN

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BILD: HAFARIEKOM­MANDO/DPA Helfer suchen am Strand von Borkum nach Treibgut. Nachdem das Containers­chiff „MSC Zoe“mehr als 290 Container in der Nordsee verloren hat, landeten zahlreiche Gegenständ­e auf der ostfriesis­chen Insel an.
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Mitarbeite­r des Havariekom­mandos Cuxhaven waren auch am Freitag mit Kettenfahr­zeugen am Strand im Einsatz.
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