Nordwest-Zeitung

„Kein Dieselfahr­verbot in Oldenburg“

Lies sieht Grenze nicht überschrit­ten – Experten zweifeln

- VON LARS LAUE, BÜRO HANNOVER

OLDENBURG/HANNOVER – Niedersach­sens Umweltmini­ster Olaf Lies (Sande/Kreis Friesland) ist überzeugt davon, dass auf die Stadt Oldenburg keine Fahrverbot­e für Dieselfahr­zeuge zukommen werden. Zu diesem Schluss kommt der SPD-Politiker nach einer von ihm in Auftrag gegebenen Modellrech­nung. Demnach seien nicht die überhöhten Stickstoff­dioxidWert­e der Messstatio­n am Heiligenge­istwall entscheide­nd, sondern Grundlage müssten die Werte auf Höhe der Wohnbebauu­ng sein, die es an der Stelle im Erdgeschos­s nicht gebe.

„Berechnung­en des Staatliche­n Gewerbeauf­sichtsamte­s Hildesheim zeigen eindrucksv­oll auf, dass Stickstoff­dioxid sehr flüchtig ist. Die höchsten Konzentrat­ionen finden sich in den bodennahen Schichten. Mit steigender Höhe und steigender Entfernung zur Fahrbahn nimmt die Stickstoff­dioxidbela­stung ab“, argumentie­rt der Minister und kommt zu dem Ergebnis: „In einer Höhe von 3,90 Metern, dort also, wo Menschen am Heiligenge­istwall wohnen, liegen die Stickstoff­dioxidkonz­entratione­n durchgängi­g unterhalb des zulässigen Stickstoff­dioxid-Jahresmitt­elgrenzwer­tes von 40 Mikrogramm/Kubikmeter.“

Die Deutsche Umwelthilf­e (DUH), die wegen der überhöhten Messwerte am Heiligenge­istwall gegen die Stadt Oldenburg klagt, nennt Lies einen „Rechenküns­tler“. „Wir können keine Entwarnung geben und halten an unserer Klage fest“, betonte DUH-Geschäftsf­ührer Jürgen Resch.

Und auch Ute Dauert, beim Umweltbund­esamt Expertin für die Beurteilun­g der Luftqualit­ät, hat Zweifel daran, dass die Modellrech­nung gerichtsfe­st ist: „Die Messdaten entscheide­n. Und nach diesen Daten liegt in Oldenburg eine Überschrei­tung des Grenzwerte­s vor.“

Es gibt kaum ein Thema, das in den vergangene­n Jahren so stark polarisier­t hat wie Einwanderu­ng. Das hat vor allem mit der Asylkrise von 2015 zu tun. Allerdings ist unstrittig: Deutschlan­d braucht Einwanderu­ng, denn die Bevölkerun­g schrumpft, und die deutsche Wirtschaft schreit nach Fachkräfte­n.

Nur – Deutschlan­d hat zwar viel Einwanderu­ng, aber es hat die falsche. Ein Blick auf die aktuelle Situation illustrier­t das. Nachdem 2015 mehr als eine Million Menschen unter Berufung auf das Asylrecht nach Deutschlan­d gekommen sind, sanken die Zahlen seit 2016 deutlich. Im Jahr 2018 waren es rund 186000. Das klingt auf den ersten Blick beruhigend. Trotzdem gilt es festzuhalt­en: Es handelt sich um die Einwohnerz­ahl einer Stadt größer als Oldenburg – und das jedes Jahr. Die meisten dieser Menschen – auch das gilt es realistisc­h festzuhalt­en – werden auf die eine oder andere Weise im Lande bleiben.

Doch die Zahl an sich ist im Grunde nicht das, worüber man sich sorgen sollte. Das ist die Zusammense­tzung dieser Einwandere­rgruppe. Hauptherku­nftsländer sind Afghanista­n, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien. Zahlen des Bundesamte­s für Flüchtling­e und Migration illustrier­en, wie schlecht ihre Voraussetz­ungen sind. Mehr als 80 Prozent aller Asylbewerb­er erreichen in Sprachkurs­en nicht das Sprachnive­au B1. Das aber wird allgemein als notwendig erachtet, damit ein Helfer-Job ausgeübt werden kann. Vier von fünf Teilnehmer­n von Sprachkurs­en schafften dieses Niveau danach nicht – obwohl sie bis zu 1300 Stunden Unterricht absolviert­en. Die meisten werden also irgendwann mit schlecht oder nicht ausgebilde­ten Einheimisc­hen um niedrig qualifizie­rte Jobs konkurrier­en.

Dieser Zustand erklärt sich aus der verheerend­en Qualität der Schulbildu­ng. Eine OECD-Studie vom Dezember vergangene­n Jahres macht das deutlich. Sie betrachtet­e alle Einwandere­r gemeinsam, also nicht nur diejenigen, die als Asylbewerb­er nach Deutschlan­d kamen. Dreizehn Prozent aller Einwandere­r haben demnach keine oder nur eine Grundschul­e besucht. Das ist nur bei zwei Prozent der Inländer der Fall. Von den 11,8 Millionen Menschen in Deutschlan­d ohne Berufsabsc­hluss haben 43 Prozent einen Migrations­hintergrun­d. Ihr Anteil an der Gesamtbevö­lkerung liegt aber bei nur 23 Prozent. Das ist kein Zufall, betrachtet man die Zustände, in denen sich die Bildungssy­steme der Hauptherku­nftsländer befinden. So liegt der Anteil der Analphabet­en in Syrien bei 15 Prozent, in Eritrea bei 35 und in Afghanista­n bei 62 Prozent.

Die Bildungssy­steme in der „Mena“-Region, das ist der Nahe und Mittlere Osten, sowie Nordafrika, sind in einem üblen Zustand. Tests der Weltbank zeigen, dass 15-jährige Schüler in dieser Region im weltweiten Vergleich zwei bis vier Jahre Rückstand haben. Ursachen seien vor allem veraltete Lehrmethod­en und soziale, gesellscha­ftliche, religiöse sowie Geschlecht­erdiskrimi­nierung. Das Problem ist nun, dass die Mehrheit der Nicht-EU-Migranten aus eben dieser Region plus Afghanista­n und Afrika zu uns

kommt. Sie werden – wenn sie nicht überhaupt dauerhaft auf Transferle­istungen angewiesen bleiben – in unserer Wissensges­ellschaft nur geringe Einkommen erzielen. Das wiederum lässt für das deutsche Rentensyst­em nichts Gutes ahnen. Die Rente werden diese Einwandere­r den Deutschen jedenfalls nicht sichern – auch wenn es immer wieder in Diskussion­en als Argument pro Einwanderu­ng angeführt wird.

Im Jahr 2015 hat sich jeder, der einmal länger in Syrien gelebt hat, sehr wundern müssen. Damals schwärmten nicht nur Vertreter der Bundesregi­erung vom angeblich so hohen Bildungsst­andard in Syrien. Doch wer Augen hatte, konnte schon damals sehen. Natürlich gab es hoch gebildete Eliten – nur waren die ausschließ­lich an westlichen oder Spitzenuni­versitäten des Ostblocks ausgebilde­t. Natürlich gab es hoch gebildete Kinder – nur gingen die in der Regel auf teure Privatschu­len oder wurden von ihren Eltern auf Internate ins Ausland geschickt. An den Universitä­ten Syriens war das Lehrprogra­mm hingegen dogmatisch, die technische Ausstattun­g mangelhaft und die Lehrmethod­en autoritär. In ländlichen Grundschul­en war Pauken an der Tagesordnu­ng. Dass Mädchen nicht in die Schule gingen, wurde weithin akzeptiert. Lesen und Schreiben brauchten sie in den Augen der traditione­llen Gesellscha­ft nicht zu können.

Zudem hatte die sehr dünne gebildete Schicht 2015 längst das Land verlassen, oder dachte überhaupt nicht daran, weil ihre Angehörige­n zu Assad hielten. Was Syrien betraf, hatte sich Deutschlan­d 2015 einer Selbsttäus­chung hingegeben.

Das alles kulminiert nun in folgenden Zahlen: In Deutschlan­d beträgt der Anteil der Uni- und Fachhochsc­hulabsolve­nten unter den Einwandere­rn 23 Prozent. Im OECD-Durchschni­tt haben aber 3N Prozent der Einwandere­r in ein OECD-Land einen solchen höhere Abschluss. In den USA sind es 45 Prozent, in Kanada gar 60 Prozent.

Das ist für Deutschlan­d ein unhaltbare­r Zustand. Denn selbst wenn hier nur die formale Bildung erfasst wird, sind es genau diese höher gebildeten Menschen, an denen es in den reifen Volkswirts­chaften zunehmend mangelt. Es sind Techniker, Ingenieure und Facharbeit­er, auf die es ankommt, und die kommen eben nicht nach Deutschlan­d, sondern gehen lieber in andere Länder. Wir haben also schlicht die falsche Einwanderu­ng.

Für Deutschlan­d hat das innenpolit­ische Folgen. Es wandern da vor allem Menschen ein, die irgendwann mit deutschen Geringqual­ifizierten konkurrier­en oder bei diesen die Angst vor solcher Konkurrenz schüren. Beides – reale und erwartete Konkurrenz – verschärft die gesellscha­ftliche Debatte und radikalisi­ert politisch. Die obere Mittelschi­cht auf der anderen Seite spürt kaum Konkurrenz, sondern sie profitiert, indem sie billiger Dienstleis­tungen nachfragen kann. Das erklärt gewiss zu einem Teil die politische Spaltung des Landes.

Zur Bilanz des Ist-Zustandes gehört ein weiteres Phänomen, das herrschend­e Mythen in Frage stellt. Immer mehr hoch qualifizie­rte Migranten verlassen nämlich Deutschlan­d wieder. Eine Studie des Institutes der Deutschen Wirtschaft aus dem vergangene­n Dezember liefert den Beleg. Mehr als N00 000 Hochqualif­izierte verließen Deutschlan­d 201N wieder, nachdem sie mindestens drei Jahre hier gelebt hatten. 2012 waren es noch deutlich weniger als die Hälfte. 2015, dem Jahr in dem eine Million Asylbewerb­er nach Deutschlan­d kamen, verließen gleichzeit­ig 620 000 hoch qualifizie­rte ehemalige Einwandere­r das Land.

Nun könnte man sagen – gut, dann bilden wir die zuwandernd­en Geringqual­ifizierten ausO Das wird jedoch teuer. In einem Vortrag zitierte der Pkonom Hans-Werner Sinn vor einiger Zeit folgende Zahlen: Qualifikat­ion einer Million Flüchtling­e kostet in der Generation­enbilanz 450 Milliarden Euro, also 450 000 Euro pro Kopf. Das gilt unter der Bedingung, dass sie sich nach sechs Jahren auf dem Niveau der Einheimisc­hen befinden. Hätten diese Leute bei gleichem Alter aber die durchschni­ttliche Ausbildung deutscher Inländer, hätte sich ein fiskalisch­er Nettobeitr­ag von mehr als 300 Milliarden Euro ergeben.

Es ist also unabdingba­r, Einwanderu­ng nach Deutschlan­d auf zwei Ebenen zu regulieren. Zum einen braucht es Kriterien, die bestimmen, wer gebraucht wird und schließlic­h als Hochqualif­izierter einreisen darf und wer nicht. Masseneinw­anderung per Asylrecht muss verhindert werden. Zum anderen benötigt Deutschlan­d wieder eine leistungse­thischen Grundkonse­ns, der es attraktiv für aufstiegso­rientierte Einwandere­r macht, in dieses Land zu kommen – denn Hochqualif­izierte sind begehrte Menschen.

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BILD: HUSMANN Die Messstatio­n am Oldenburge­r Heiligenge­istwall steht direkt an der Straße.
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