Nordwest-Zeitung

„Label sollte nicht auf freiwillig­er Basis beruhen“

Kritische Stimmen aus dem Nordwesten – Ähnliche Label sorgen für Unübersich­tlichkeit

- VON SABRINA WENDT

IM NORDWESTEN – Der Nordwesten ist stark von landwirtsc­haftlichen Betrieben geprägt – und zwar in allen Größenordn­ungen. Die Reaktionen auf das staatliche Tierwohlla­bel sind gemischt.

Das Landvolk Niedersach­sen teilte am Mittwoch auf Nachfrage unserer Zeitung mit, dass sich „die Landwirtsc­haft mit der Initiative Tierwohl bei Schwein und Geflügel für einen höheren Standard engagiert“. Die Beteiligun­g der Landwirte spreche dafür, dass dieses Thema sehr ernst genommen wird, hieß es in dem Statement.

Bei den Vorschläge­n von Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner (CDU) vermisst das Landvolk allerdings „sowohl eine Aussage zur Herkunftsk­ennzeichnu­ng als auch der Finanzieru­ng“. Landwirte, die das Label erwerben möchten, müssten häufig mit hohen Investitio­nen in Vorleistun­g treten, um die Ställe entspreche­nd umzurüsten, teilte das Landvolk mit.

Das gleiche Problem sprach auch Ottmar Ilchmann von der Arbeitsgem­einschaft bäuerliche Landwirtsc­haft auf Nachfrage unserer Zeitung an. Für viele Betriebe sei eine Umstruktur­ierung ohne Zuschüsse nicht oder nur schwer zu stemmen. Laut Ilchmann, der in Rhauderfeh­n lebt, müssten sowohl der Staat in Form einer Anschlussf­inanzierun­g als auch die EU Hilfestell­ung leisten.

Das größte Problem sieht Ilchmann allerdings in der Freiwillig­keit des Labels. Denn das fördere ein Ungleichge­wicht. Das Label sieht unter anderem vor, die Zahl der Tiere in den Betrieben zu reduzieren und ihnen mehr Platz zu bieten. Das sei für kleinere Betriebe zwar einfacher zu realisiere­n, aber aufgrund der Freiwillig­keit bestehe die Gefahr, dass größere Betriebe, die das Label nicht haben möchten, ihre Produktion entspreche­nd erhöhen, um in diese Lücke vorzudring­en. Das sei zum finanziell­en Nachteil der Landwirte, die sich für das Tierwohl einsetzen, erklärte Ilchmann. Um einen Ausgleich zu schaffen, müsste im Handel eine höhere Vergütung für die Betriebe durchgeset­zt werden, die das Label haben, sagte Ilchmann.

Das nächste Problem sei nach Angaben des Landvolks Niedersach­sen, dass laut einer Studie der Uni Osnabrück viele Verbrauche­r nicht dazu bereit seien, den notwendige­n Mehrwert zu bezahlen. Damit bleibe das finanziell­e Risiko bislang allein an den Tierhalter­n hängen.

Die Interessen­gemeinscha­ft der Schweineha­lter Deutschlan­ds, kurz ISN, mit Sitz in Damme (Kreis Vechta) erklärte auf Nachfrage unserer Zeitung, dass sich bereits Tausende Betriebe bundesweit – darunter auch sehr viele aus dem Nordwesten – freiwillig an der Initiative Tierwohl beteiligen, die unter anderem ins Leben gerufen wurde, da das staatliche Label relativ lange auf sich warten ließ.

Das führe nun aber auch dazu, dass die Lage für Verbrauche­r unter Umständen unübersich­tlicher wird, da sie mehrere Label mit ähnlichen Kriterien auf den Verpackung­en vorfinden werden.

Das nächste Problem sei die Umsetzbark­eit. „Die eigentlich schwierige­n Hausaufgab­en hat Ministerin Julia Klöckner immer noch vor sich, wenn es darum geht, eine Nutztierst­rategie zu entwickeln. Sie muss nämlich den Tierhalter­n ermögliche­n, die Tierwohlma­ßnahmen wirtschaft­lich und genehmigun­gstechnisc­h überhaupt umsetzen zu können“, teilte die ISN mit.

Zum anderen bleibe die Aufgabe, für die Finanzieru­ng der teuren Tierwohlma­ßnahmen zu sorgen. „Dabei allein auf den Verbrauche­r zu setzen, wird nicht gelingen“, hieß es in der Stellungna­hme der ISN. Eine freiwillig­e Haltungske­nnzeichnun­g könne ohnehin nur ein erster Schritt sein, eine Verpflicht­ung für alle Betriebe müsse folgen.

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