Der VW-Dieselskandal und die Rolle der Porsche SE
Oberlandesgericht Stuttgart 7rüft m9gliches zweites 5usterverfahren in Abgas-Aff:re
STUTTGART – Gerichtsverfahren zum VW-Dieselskandal gibt es mittlerweile in rauen Mengen. Ein großes könnte noch hinzukommen, sofern das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart im Agieren der VW-Holding Porsche SE einen eigenständigen „Lebenssachverhalt“sieht. Am Mittwoch ließ das OLG diese Fragen noch offen.
Kurz gesagt: um Geld. Die zahlreichen Kläger – Privatleute genauso wie große Fonds – werfen der Porsche SE vor, die Finanzmärkte und damit auch sie viel zu spät über den Dieselskandal bei VW informiert zu haben. Volkswagen war damit im September 2015 an die Öffentlichkeit gegangen, die Porsche SE warnte unmittelbar darauf vor möglichen finanziellen Folgen. Die Kläger sind aber überzeugt, dass VW viel eher gewusst haben muss, was auf den Konzern zukommt. Und wäre das eher bekannt gewesen, so ihre Argumentation, hätte das auch viel früher den Aktienkurs gedrückt – und sie hätten beim Kauf weniger für ihre Aktien bezahlen müssen. Die Porsche SE weist diese Vorwürfe zurück – wie VW selbst übrigens auch (Az. 20 Kap 2/17).
Die Porsche SE (PSE) mit Sitz in Stuttgart hält mit gut 52 Prozent der Stimmrechte die Mehrheit an der Volkswagen AG. Die in der Auto-Welt bestens bekannten Familien Porsche und Piëch, die die PSE kontrollieren, geben über dieses Konstrukt de facto den Kurs bei VW in Wolfsburg vor. Zugleich verdienen sie mit den Anteilen aber auch im Wesentlichen ihr Geld. Die PSE hat zwar noch weitere Beteiligungen, im Vergleich zum milliardenschweren VW-Konzern fallen die aber nicht groß ins Gewicht. Geht es VW gut, geht es also auch der Porsche SE gut – und umgekehrt. Hätte VW also früher über den Skandal informiert, so die Kläger, hätte das auch früher auf die PSE durchgeschlagen. Selbst baut die Porsche SE keine Autos. Die Sportwagen kommen von der Porsche AG, die eine VW-Tochter ist.
Das ist die große Frage, an der sich auch entscheidet, ob es überhaupt ein zweites Verfahren in Stuttgart geben wird. Nach Ansicht der Porsche SE dreht sich am Ende alles um den gleichen sogenannten Lebenssachverhalt – folglich müssten alle Klagen dem Verfahren in Braunschweig zugeordnet werden. Die Kläger sehen ihren Fall hingegen in etlichen Punkten anders gelagert und finden deshalb, dass ein eigenes Verfahren notwendig ist. Das Landgericht hat sich ihrer Auffassung angeschlossen. Das Oberlandesgericht gab am Mittwoch noch keine klare Antwort. Stefan Vetter, Vorsitzender des Senats, sagte lediglich, dass es eine gewisse Schnittmenge beim Sachverhalt gebe.
Mühsam geht es voran. Erst am 25. März soll die mündliche Verhandlung fortgesetzt werden, denn Stellungnahmen beider Seiten brauchen Zeit. Wirklich klar ist bislang noch nichts – allerdings hatte Richter Christian Jäde als vorläufige Einschätzung gesagt, dass der Autoriese den Kapitalmarkt zu spät informiert haben könnte. Er bezog sich dabei auf das VW-Eingeständnis gegenüber US-Behörden vom 19. August 2015, Dieselmotoren manipuliert zu haben. Dies könnte eine kursrelevante Information gewesen sein. Aus VW-Sicht dagegen gab es keine Anhaltspunkte für eine Kursrelevanz, bis die US-Umweltbehörde EPA mit ihren Anschuldigungen an die Öffentlichkeit ging. Insgesamt machen knapp 1700 Kläger rund 9 Milliarden Euro Schadenersatz geltend. Teils liegen die Klagen noch beim Landgericht Braunschweig, so dass sich der Streitwert beim OLG zuletzt auf 4,3 Milliarden Euro belief.