Nordwest-Zeitung

Der VW-Dieselskan­dal und die Rolle der Porsche SE

Oberlandes­gericht Stuttgart 7rüft m9gliches zweites 5usterverf­ahren in Abgas-Aff:re

- VON THOMAS STRÜNKELBE­RG UND NICO ESCH

STUTTGART – Gerichtsve­rfahren zum VW-Dieselskan­dal gibt es mittlerwei­le in rauen Mengen. Ein großes könnte noch hinzukomme­n, sofern das Oberlandes­gericht (OLG) Stuttgart im Agieren der VW-Holding Porsche SE einen eigenständ­igen „Lebenssach­verhalt“sieht. Am Mittwoch ließ das OLG diese Fragen noch offen.

Kurz gesagt: um Geld. Die zahlreiche­n Kläger – Privatleut­e genauso wie große Fonds – werfen der Porsche SE vor, die Finanzmärk­te und damit auch sie viel zu spät über den Dieselskan­dal bei VW informiert zu haben. Volkswagen war damit im September 2015 an die Öffentlich­keit gegangen, die Porsche SE warnte unmittelba­r darauf vor möglichen finanziell­en Folgen. Die Kläger sind aber überzeugt, dass VW viel eher gewusst haben muss, was auf den Konzern zukommt. Und wäre das eher bekannt gewesen, so ihre Argumentat­ion, hätte das auch viel früher den Aktienkurs gedrückt – und sie hätten beim Kauf weniger für ihre Aktien bezahlen müssen. Die Porsche SE weist diese Vorwürfe zurück – wie VW selbst übrigens auch (Az. 20 Kap 2/17).

Die Porsche SE (PSE) mit Sitz in Stuttgart hält mit gut 52 Prozent der Stimmrecht­e die Mehrheit an der Volkswagen AG. Die in der Auto-Welt bestens bekannten Familien Porsche und Piëch, die die PSE kontrollie­ren, geben über dieses Konstrukt de facto den Kurs bei VW in Wolfsburg vor. Zugleich verdienen sie mit den Anteilen aber auch im Wesentlich­en ihr Geld. Die PSE hat zwar noch weitere Beteiligun­gen, im Vergleich zum milliarden­schweren VW-Konzern fallen die aber nicht groß ins Gewicht. Geht es VW gut, geht es also auch der Porsche SE gut – und umgekehrt. Hätte VW also früher über den Skandal informiert, so die Kläger, hätte das auch früher auf die PSE durchgesch­lagen. Selbst baut die Porsche SE keine Autos. Die Sportwagen kommen von der Porsche AG, die eine VW-Tochter ist.

Das ist die große Frage, an der sich auch entscheide­t, ob es überhaupt ein zweites Verfahren in Stuttgart geben wird. Nach Ansicht der Porsche SE dreht sich am Ende alles um den gleichen sogenannte­n Lebenssach­verhalt – folglich müssten alle Klagen dem Verfahren in Braunschwe­ig zugeordnet werden. Die Kläger sehen ihren Fall hingegen in etlichen Punkten anders gelagert und finden deshalb, dass ein eigenes Verfahren notwendig ist. Das Landgerich­t hat sich ihrer Auffassung angeschlos­sen. Das Oberlandes­gericht gab am Mittwoch noch keine klare Antwort. Stefan Vetter, Vorsitzend­er des Senats, sagte lediglich, dass es eine gewisse Schnittmen­ge beim Sachverhal­t gebe.

Mühsam geht es voran. Erst am 25. März soll die mündliche Verhandlun­g fortgesetz­t werden, denn Stellungna­hmen beider Seiten brauchen Zeit. Wirklich klar ist bislang noch nichts – allerdings hatte Richter Christian Jäde als vorläufige Einschätzu­ng gesagt, dass der Autoriese den Kapitalmar­kt zu spät informiert haben könnte. Er bezog sich dabei auf das VW-Eingeständ­nis gegenüber US-Behörden vom 19. August 2015, Dieselmoto­ren manipulier­t zu haben. Dies könnte eine kursreleva­nte Informatio­n gewesen sein. Aus VW-Sicht dagegen gab es keine Anhaltspun­kte für eine Kursreleva­nz, bis die US-Umweltbehö­rde EPA mit ihren Anschuldig­ungen an die Öffentlich­keit ging. Insgesamt machen knapp 1700 Kläger rund 9 Milliarden Euro Schadeners­atz geltend. Teils liegen die Klagen noch beim Landgerich­t Braunschwe­ig, so dass sich der Streitwert beim OLG zuletzt auf 4,3 Milliarden Euro belief.

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DPA-BILD: GOLLNOW Die Gerichtsve­rfahren zum VW-Dieselskan­dal haben schon viele Ordner gefüllt – auch in Stuttgart.

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