„Arbeit muss sich wieder mehr lohnen“
Der Ökonom Marcel Fratzscher über die Reform des Sozialstaates
FRAGE: D e SPD plant e ne Reform des Soz alstaates, w ll d e Agenda 2010 und Hartz IV h nter s ch lassen. W e bewerten S e d e Pläne? FRATZSCHER: Die Hartz-Reform war ein notwendiger Schritt, um den Sozialstaat wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Der massive Rückgang der Arbeitslosigkeit seit 2005 hat auch etwas mit Hartz IV zu tun. Damals war die extrem hohe Arbeitslosigkeit ein großes Problem. Das ist heute anders. Heute sorgt der große Niedriglohn- und Teilzeitbereich für soziale Probleme. Das gilt gerade für viele Frauen und die vielen Menschen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien. Mini- und Midijobs werden zu häufig zu einer Falle und führen dazu, dass viele nur geringfügig arbeitet. Da arbeiten Menschen häufig nicht freiwillig, sondern weil sie keine anderen Möglichkeiten haben. FRAGE: W e sollte d e Grunds cherung aussehen? FRATZSCHER: Hartz IV sollte nicht abgeschafft und ersetzt, sondern ergänzt und reformiert werden. Das SPD-Konzept enthält gute Elemente. Die Grundsicherung soll vereinfacht, Bürokratie und Sanktionen abgebaut werden. Es ist richtig, dass man den Menschen positive Anreize gibt und ihnen ihre Würde zurückgibt. Aber das Grundproblem ist der Arbeitsmarkt. FRAGE: Was schlagen S e vor? FRATZSCHER: Wir brauchen eine Vereinheitlichung sozialer Leistungen. Denn zu häu- fig bleibt Menschen mit geringen Einkommen durch den Entzug staatlicher Leistungen zu wenig ihrer zusätzlichen Arbeitseinkommen übrig. Gerade für Menschen mit geringen Einkommen muss sich Arbeit wieder mehr lohnen. Im Zuge einer Reform des Arbeitsmarktes sollte man auch über den Niedriglohnund Teilzeitsektor nachdenken. Hartz IV ist ein Problem für Menschen, die zwar arbeiten, aber wenig verdienen, die sogenannten Aufstocker. Es wäre sinnvoll, sie aus Hartz IV herauszunehmen. Die Wurzel der Probleme liegt woanders: Es fehlt an der notwendigen Infrastruktur im Bildungsbereich. Wir brauchen auch bessere Betreuungsangebote für Kinder, damit mehr Frauen länger arbeiten können. Viele Frauen möchten das, sie werden aber stark benachteiligt.