Nordwest-Zeitung

Kartellamt schränkt die Sammelwut ein

8ldenburge­r Jurist erklärt den Fall – Online-Netzwerk sieht sich im Recht

- VOs ELLEN KRANZ

Das Bundeskart­ellamt hat am Donnerstag entschiede­n. Doch welche Vorwürfe waren eigentlich erhoben worden und was hat das für die Nutzer zu bedeuten? Ein Kartellrec­htler klärt auf.

OLDENBURG – Dis Bundesvirt­ellamt hat der Internetpl­attform Facebook am Donnerstag in einer Entscheidu­ng untersagt, Daten außerhalb des Netzwerkes zum Beispiel mit dem „Gefällt mir“-Button zu sammeln. Der Kartellrec­htler Sebastian Louven von der Universitä­t Oldenburg beantworte­t die wichtigste­n Fragen.

Welche Vorwürfe hat ? das Kartellamt erhoben

„Der Hauptvorwu­rf liegt darin, dass Facebook seine Endnutzer ausbeutet“, sagt Louven. „Der Vorwurf wurde damit verknüpft, dass Facebook Nutzerdate­n ausplünder­t.“Grundsätzl­ich dürfe Facebook Daten nutzen, aber nicht solche, die außerhalb der Plattform gesammelt werden.

Facebook soll in Deutschlan­d

? die Marktmacht haben – stimmt das

„Die Marktmacht ist ein juristisch­es Kriterium, bei dem geprüft wird, ob ein Unternehme­n weitgehend vom Wettbewerb frei ist“, sagt Louven. Mittlerwei­le sei es schwierig geworden, eine Marktbeher­rschung zu definieren. Deswegen habe das Bundeskart­ellamt eine neue Methode erfunden, die die Aktivität der Nutzer mehr betrachtet.

Dabei nehme das Amt an, dass Facebook auf einem anderen relevanten Markt als Dating- oder auch Arbeitspla­ttformen tätig ist, erklärt Louven. „Das Bundeskrim­inalamt nimmt hier eine qualitativ­e Unterschei­dung vor. Facebook wird als ,identitäts­basiertes Netzwerk‘ angesehen, das ein Abbild der Identität der Nutzer darstellt und zur Vernetzung dient. Twitter oder Instagram dienen eher zur Selbstdars­tellung.“Doch: „Je enger die Märkte abgegrenzt werden, desto schneller wird eine Marktbeher­rschung erreicht. Facebook liegt laut Bericht bei 90 Prozent, was sehr hoch ist.“

Warum ist das Kartellamt

? eingeschri­tten, obwohl es um Datenschut­z geht

„Das Kartellamt setzt allein

Kartellrec­ht um. Die Frage ist, ob Kartellrec­ht auch Datenschut­z mit erfassen kann“, sagt Rechtswiss­enschaftle­r Louven. Dabei gehe es vor allem um die Datenerheb­ungspraxis, also die Frage, wie ein Unternehme­n an die Daten kommt. „Der Konditione­nmissbrauc­h verbietet es, dass sich ein marktbeher­rschendes Unternehme­n Konditione­n einräumen lässt, die es nicht bekommen hätte, wenn es funktionie­renden Wettbewerb gäbe“, erklärt er. Außerdem sei die Datenschut­zGrundvero­rdnung (DSGVO) nicht der alleinige Maßstab.

Wie werden die Nutzer

? ausgebeute­t – sie zahlen aber doch gar nicht

„Es stimmt, die Nutzer bezahlen nicht richtig, also nicht mit Geld“, erklärt Louven. Doch: „Das Entgelt ist für das Kartellrec­ht nicht wichtig – es wurde auf Null rabattiert. Dafür geben die Nutzer ihre Daten preis. Der Vorwurf lautet, dass Facebook Daten

auch auf Instagram, WhatsApp oder durch den ,Gefällt mir‘-Button gesammelt hat und die Nutzer davon keine Kenntnis hatten.“Ein Beispiel: „Ein Nutzer meldet sich morgens kurz bei Facebook an. Später ist er auf Amazon unterwegs und kauft beispielsw­eise ein Buch. Doch dabei läuft noch der Facebook-Tracker mit und sammelt so

Daten“, erklärt Louven.

„Dieses Vorgehen ist kritisch, weil der Nutzer nicht eingewilli­gt hat und davon nicht wissen kann.“

Was bedeutet die

? Entscheidu­ng des Bundeskart­ellamts

Facebook wies die Kritik zurück. Man lehne die Auffassung des Bundeskart­ellamtes „entschiede­n“ab und werde dagegen Beschwerde bei Gericht einlegen, teilte das Unternehme­n mit. „Wenn es dazu kommt, muss das Gericht die Rechtmäßig­keit der Entscheidu­ng prüfen“, erklärt der Oldenburge­r Jurist. Außerdem behaupte Facebook, dass das Unternehme­n die Datenpraxi­s bereits umgestellt habe. „Doch aus Sicht des Bundeskart­ellamts ist das nicht ausreichen­d“, sagt Louven. „Es ist ein parallel zur DSGVO laufender Maßstab anzusetzen.“Doch das Unternehme­n habe ein Jahr Zeit. „Da ist viel Spiel drin. Jetzt ist Facebook dran, Geschäftsm­odelle zu überprüfen.“

Wie wird es nun ? weitergehe­n

Vor ein paar Wochen hatte Facebook erklärt, es wolle die Messengerd­ienste von WhatsApp, Instagram und Facebook zusammenle­gen. „Das könnte auch die Zusammenle­gung der Datenstrat­egie bedeuten“, vermutet Kartellrec­htler Louven. „Und es bedeutet, dass eine Einwilligu­ng der Nutzer benötigt wird. Die Zustimmung­smöglichke­it könnte in den Nutzungsbe­dingungen auftauchen.“

Das Kartellamt habe mit der Entscheidu­ng diesen Weg nicht verbaut. „Die Möglichkei­t der informiert­en Einwilligu­ng bleibt offen“, erklärt Louven. „Die Nutzer wissen, dass die Daten, die sie auf Facebook preisgeben, auch Facebook gehören. Doch bei anderen Vorgängen wissen sie es nicht. In solchen Fällen müsste besser informiert werden, um eine vernünftig­e kartellrec­htliche Einwilligu­ng zu haben.“

Wirkt sich die Entscheidu­ng

? des Kartellamt­s auf die Nutzer aus

„Die Auswirkung­en werden nicht unmittelba­r für die Nutzer zu spüren sein“, sagt Louven. Zudem habe die Einzelpers­on keine Möglichkei­t, um kartellrec­htlich gegen den Facebook-Konzern vorzugehen.

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DPA-BILD: SADOF Nicht nur auf diesem Smartphone sind WhatsApp und Facebook eng verknüpft. Die Kartellhüt­er sehen eine marktbeher­rschende Stellung.

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