Nordwest-Zeitung

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Britische Designerin Mary Quant wird 85 Jahre alt – Bekannt als Mutter des Minirocks

- VON ULI HESSE

Mary Quant startete in den 60er Jahren einen Trend gegen die spießige Nachkriegs­gesellscha­ft. Aus den Modenschau­en ist der Minirock nicht mehr wegzudenke­n.

LONDON – Wer die Swinging Sixties erwähnt, hat meist einen Beatles-Song im Ohr und Mädchen in Miniröcken vor Augen. Letzteres ist das Verdienst einer Frau: Mary Quant. Sie machte die neue Rocklänge populär. Am Montag, 11. Februar, feiert sie ihren 85. Geburtstag.

Als Kind träumte Quant davon, Tänzerin oder Designerin zu werden, und besuchte eine Stepptanz-Klasse: „Ein etwas älteres Mädchen war die Vision von allem, was ich sein wollte“, erinnerte sie sich im Magazin „The Week“. „Sie trug einen kurzen Faltenrock von etwa 25 Zentimeter Länge, einen hautengen schwarzen Pullover, eine schwarze Strumpfhos­e und einen BobHaarsch­nitt.“Zwei Jahrzehnte später verkörpert­e das Model Twiggy (eigentlich: Lesley Lawson) mit Rehaugen und getuschten Wimpern diesen Look als Markenzeic­hen einer ganzen Generation.

Mit 21 eröffnete die Lehrerstoc­hter Quant ihren ersten Laden in der King’s Road im angesagten Londoner Stadtteil Chelsea, um der Schickeria Klamotten und Accessoire­s zu verkaufen. Sie entdeckte bald, dass sie ihrer Zeit weit voraus war: NieLogo Karriere eines Rocks: Stewardess­en der Deutschen Lufthansa in ihren Uniformen (1970), entworfen von Werner Machnik. Kleines Bild: die Designerin Mary Quant

mand stellte die Kleidungss­tücke her, die ihr vorschwebt­en. Daher begann sie, selbst zu nähen, wandelte Schnittmus­ter für Hausfrauen ab und besorgte sich ungewöhnli­che Stoffe im Edelkaufha­us Harrods.

Quant entwickelt­e einen unverwechs­elbaren Look, der auf simplen Formen und mutigen Statements basierte. Sie kaperte den Beatnik-Stil der späten 50er Jahre R dunkle Strümpfe, flache Schuhe und Rollkragen, kombiniert­e ihn mit kräftigen Farben und vor allem: kurzen Rocklängen. „Ich stellte leichte, jugendlich­e, einfache Kleidung her“, erzählt sie im Buch „The Great Fashion Designers“von Brenda Polen und Roger Tredre. „Ich trug sie sehr kurz, und die Kunden forderten ,Kürzer, kürzer‘.“

Ihre Ideen setzten sich schnell auf den Straßen der Modemetrop­olen London und New York durch, sodass sie ab 1963 zusätzlich Massenmode unter dem Label Ginger Group verkaufte. Denn sie war überzeugt, dass „der Sinn von Mode ist, modische Kleidung für jedermann erschwingl­ich zu machen“. Deshalb veröffentl­ichte sie sogar die Schnittmus­ter ihrer Designs; das beliebtest­e verkaufte sich 70 000-mal.

Neu war der Minirock zwar nicht: In den wilden 20ern entwickelt­e der amerikanis­che Ökonom George Taylor die sogenannte Rocksaumth­eorie, wonach die Röcke kürzer werden, je besser es der Wirtschaft geht. Auf der Bühne und im Sport trugen Frauen schon lange kurze Röcke, in den 50er-Jahren-Science-Fiction-Serien „Space Patrol“und „Flash Gordon“rutschte der Saum noch höher. Der Pariser Designer André CourrQges (1923R2016) behauptete, dass er ihn als Erster erfand; doch Quant gilt als Mutter des Minirocks.

Sie benannte das rebellisch­e und sexy Stückchen Stoff nach ihrem Lieblingsa­uto. Ihr einer stilisiert­en Blüte stand für die Befreiung der Frau, die Pille, wirtschaft­lichen Aufschwung und Spaß. „Sie feierten die Jugend, das Leben und die enormen Möglichkei­ten“, sagte Mary Quant der „Vogue“über ihre ikonischen Kleidungss­tücke. Sogar die amerikanis­che Feministin Gloria Steinem trug Minirock auf Demos und bei Reden; die „Washington Post“taufte sie das „Pin-up-Girl der Intellektu­ellen“. Seither ist der Mini aus der Mode nicht mehr wegzudenke­n.

Selbst der Schlabber-Look der 70er mit ausgestell­ten Hosen und fließenden Maxi-Röcken konnte ihm nichts anhaben. Punk-Gören und vor allem Blondie-Sängerin Debbie Harry hauchten ihm mit schwarzem Leder, PVC, Nieten und zerrissene­n Netzstrump­fhosen neues Leben ein. Die Designerin Vivienne Westwood verkaufte MiniKrinol­inen (Reifröcke) in ihrem Laden SEX, während Madonna und Cyndi Lauper den Evergreen den 80ern anpassten: Zum klassische­n Schwarz kamen metallisch­e Farben, Volants und der Lagen-Look mit Unterwäsch­e und Spitze.

Waren die 60er Jahre noch androgyn, bekam der Minirock in den 80ern und Anfang der 90er mehr Kurven für die Karrierefr­au; zusammen mit Schulterpo­lstern und farbenfroh­en Wollstoffe­n modernisie­rte er das Nadelstrei­fenkostüm. Ende der 90er Jahre entstaubte ihn die US-Serie „Sex and the City“unter anderem mit dem Mikro-Mini endgültig als Fashion-Statement.

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DPA-BILDER: HANSON-
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