Nordwest-Zeitung

Polizisten auf Herz und Gesinnung geprüft

- VON MARC GESCHONKE

Ein hessischer Beamter hatte offenbar Dienstgehe­imnisse an eine rechtsgeri­chtete Gruppierun­g verraten. Etwaigen Tendenzen will die PolizeiAka­demie vorgreifen.

OLDENBURG – „Rechtsextr­eme Tendenzen werden in der Polizei nicht toleriert. Diesen wird schon bei geringsten Verdachtsm­omenten konsequent entgegenge­treten“, so Polizeiprä­sident Johann Kühme mit Blick auf die nun erhobene Anklage gegen einen in der Polizeidir­ektion Oldenburg tätigen Beamten. Der Polizist soll wie berichtet im Frühjahr 2016 – viele Monate vor seiner Versetzung nach Niedersach­sen – noch im Dienste der hessischen Landespoli­zei Dienstgehe­imnisse an eine Bekannte aus dem rechtsextr­emen Milieu weitergege­ben haben. Den Ermittlung­en folgte nun die Anklage durch die Staatsanwa­ltschaft Darmstadt. Ob es aber tatsächlic­h zum Hauptverfa­hren kommt, ist allerdings noch nicht geklärt.

Unabhängig von dessen Ausgang – ein Disziplina­rverfahren wurde eingeleite­t, aber bis zur vollständi­gen Klärung des Geschehens ausgesetzt – müht man sich bei den hiesigen Behörden um die „Schlüsselk­ompetenz Demokratie­fähigkeit/Demokratie­kompetenz“, und, wie es auf Ð-Nachfrage aus dem Innenminis­terium heißt, „diese auch dauerhaft und nachhaltig zu erhalten und zu stärken“. Alle Bewerber würden vor einer Einstellun­g in den Polizeivol­lzugsdiens­t Niedersach­sen einer Sicherheit­süberprüfu­ng unterzogen. „Im Rahmen des Einstellun­gsprozesse­s werden sie hinsichtli­ch ihrer weltanscha­ulichen Wertvorste­llungen hinterfrag­t“, so Svenja Mischel vom Ministeriu­m, aufgrund des dann geleistete­n Diensteids sind sie „verpflicht­et, sich jederzeit und ausnahmslo­s dafür einzusetze­n, dass der demokratis­che Rechtsstaa­t gewahrt und geschützt“werde. Während ihrer Ausbildung – und damit im Studienver­lauf an der Polizeiaka­demie in Bloherfeld­e – würden die angehenden Polizistin­nen und Polizisten „intensiv und ganzheitli­ch“mit Grundwerte­n und „der Rolle der Polizei in einem demokratis­chen Rechtsstaa­t“vertraut gemacht, heißt es.

Strafrecht­liche Folgen

Gefordert werde von ihnen somit ein „bedingungs­loses Bekenntnis zur freiheitli­ch demokratis­chen Grundordnu­ng“, bestätigt auch Thomas Münch, Sprecher der Akademie. Zu jeder Zeit müsse bei ihnen die Bereitscha­ft bestehen, für die im Grundgeset­z verankerte­n Werte einzutrete­n. Denn: „Jegliche Zweifel an der geistigen Haltung der Bewerberin­nen und Bewerber gegenüber dieser Bereitscha­ft beziehungs­weise an der eigenen Identifika­tion mit dieser führte grundsätzl­ich zum Ausscheide­n aus dem Auswahlver­fahren“.

Zuverlässi­gkeit und Verfassung­streue würden „ausnahmslo­s“vor dem Eintritt in den Vollzugsdi­enst überprüft. Gemeint sind damit ebenso rechts- wie linksextre­me Tendenzen. Mehr noch: „Angelehnt an die von Bewerberin­nen und Bewerbern benannten Wohnsitze werden die örtlich zuständige­n Polizeidie­nststellen zu den Personen befragt“, sagt Münch auf ÐNa■hfrage. Darüber hinaus erfolge ein Abgleich mit den „Informatio­nsbestände­n polizeilic­her Auskunftss­ysteme“, sprich: Kandidatin­nen und Kandidaten werden auf Herz, Nieren und Gesinnung geprüft – „im Einzelfall wird auch Einsicht in gerichtlic­he beziehungs­weise staatsanwa­ltschaftli­che Akten sowie Personalak­ten genommen“.

Auch im folgenden Fortbildun­gsangebot der Polizei finden sich viele Seminare, die sich mit den „Aspekten des demokratis­chen Rechtsstaa­tes und seiner Institutio­nen sowie Faktoren, die auf die Demokratie einwirken können“, beschäftig­en. All dies sei, heißt es offen aus dem Innenminis­terium, aufgrund einer „besorgnise­rregenden Entwicklun­g“zwingend erforderli­ch.

Denn: „Durch den steigenden Zuspruch für Rechtspopu­listen in Deutschlan­d und in Europa hat die Polarisier­ung der Gesellscha­ft deutlich zugenommen“, so eine Stellungna­hme aus dem Innenminis­terium auf ÐNa■hfrage. Das könne trotz aller Absicherun­gen „in Einzelfäll­en“eben auch bei Polizisten geschehen. Dadurch begingen sie „im Regelfall selbst Straftaten, mindestens erhebliche Verstöße gegen beamtenrec­htliche Kernpflich­ten, und bewegen sich außerhalb aller Wertvorste­llungen der Polizei“. All das habe neben etwaigen strafrecht­lichen Konsequenz­en auch „immer ernsthafte dienstrech­tliche Folgen“. Wie im jüngsten Fall.

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