Kinder von Bildung ihrer Eltern abhängig
Weniger Auffälligkeiten bei Jungen und Mädchen aus bildungsnahen 9aushalten
Insbesondere beim Sprachvermögen haben die Schwierigkeiten zugenommen. Im Landkreis Oldenburg gibt es mehrere Problem-Orte.
HANNOVER/IM NORDWESTEN – Je gebildeter die Eltern sind, desto weniger Probleme haben die Kinder etwa bei der Feinmotorik und der Sprachentwicklung. Das ist eines der zentralen Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchung 2017 in Niedersachsen. „Wenn die Kinder aus einer bildungsnahen Familie kommen, also mindestens ein Elternteil einen akademischen Berufsabschluss hat, dann gibt es seltener auffällige Befunde bei der Feinmotorik. Und wenn es Auffälligkeiten gibt, befinden sich die Kinder häufig bereits in Behandlung“, erläuterte Dr. Elke Bruns-Philipps vom Landesgesundheitsamt den Mitgliedern des Landtags-Gesundheitsausschusses.
Während bei bildungsnahen Eltern die sogenannte Abklärungsempfehlung bei gerade einmal zwei Prozent und bei Kindern von Eltern mit mittlerer Bildung bei drei Prozent liegt, sind es bei Kindern aus bildungsfernen Haushalten immerhin sechs Prozent, bei denen die Gesundheitsämter der jeweiligen Kommunen eine Behandlung empfehlen. „Das liegt auch mit daran, dass es in bildungsnahen Familien eine andere Art der Förderung gibt. Die Kinder malen zu Hause, sie basteln, spielen Musikinstrumente – all das fördert die Feinmotorik.“
Ähnlich wie die Bildung der Eltern wirkt sich offenbar auch der Besuch eines Kindergartens auf die Entwicklung des Nachwuchses aus. Besucht ein Junge oder ein Mädchen einen Kindergarten, treten bei der Feinmotorik in drei Prozent der Fälle Defizite auf, ohne Kindergartenbesuch liegt die Quote der Kinder mit Auffälligkeiten bei sieben Prozent.
Ein ebenfalls bemerkenswertes Ergebnis der Schuleingangsuntersuchung ist, dass mehr als 40 Prozent der auf ihre Schulfähigkeit untersuchten Kinder Auffälligkeiten beim Sprachvermögen aufweisen. Auch hier gilt: Je gebildeter die Eltern, desto geringer sind die Auffälligkeiten beim Sprachvermögen der Kinder. Der Besuch eines Kindergartens wirkt sich ebenfalls positiv auf das Sprachvermögen aus.
Mit dem Sprachvermögen von Kindern, die vor der Einschulung stehen, hat sich auch Dr. Matthias Peiler vom Gesundheitsamt des Landkreises Oldenburg intensiv befasst. Anerkennung erhielt der Mediziner im Ausschuss für seine detaillierte Auswertung der Sprachentwicklungsstörungen nach Wohnbezirken im Landkreis Oldenburg. „Das Sprachvorbild der Eltern spielt eine ganz wesentliche Rolle“, sagt Peiler, nach dessen Beobachtungen die Sprachentwicklungsstörungen von Kindern in den vergangenen Jahren zugenommen haben.
Das liege auch an der Zuwanderung von Menschen aus anderen Ländern. „Die Mehrsprachigkeit macht den Kindern schon zu schaffen“, hat Peiler festgestellt. Und da Kinder aus anderen Ländern sich in bestimmten Wohngegenden häuften, sei ein gutes Sprachvorbild hier häufig nicht mehr gegeben. „Viele ausländische Kinder sind dort unter sich und kommen außerhalb des Kindergartens oder der Schule gar nicht mehr mit der deutschen Sprache in Kontakt“, betont Peiler.
Oftmals herrsche sogar in den Kindergärten und Schulen eine „geballte Mehrsprachigkeit“. Als problematisch im Landkreis Oldenburg bezeichnete er in diesem Zusammenhang die Orte Ahlhorn (Gemeinde Großenkneten), Wildeshausen und Bookholzberg (Gemeinde Ganderkesee).
Peiler appelliert an Eltern, regelmäßig mit ihren Kindern die Krankheits-Früherkennungsuntersuchungen (UUntersuchungen) wahrzunehmen.
Dass Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund häufiger sprachliche Probleme haben, als etwa das ArztTöchterchen, das nachmittags Geige spielt und jeden Abend vorgelesen bekommt, ist nicht weiter verwunderlich. Auch dass Kinder aus sozial schwachen und bildungsfernen Familien eher Zugang zu Smartphones, Fernsehern und Spielekonsolen als zu Büchern und Brettspielen haben, mag so sein. Doch das ändert nichts an der Tatsache, dass vermeintlich benachteiligte Kinder im Grunde genommen die gleichen Chancen haben wie der Nachwuchs aus dem Bildungsbürgertum.
Natürlich kann man argumentieren, dass nicht jeder das Geld hat, seinen Kindern etwa kostspieligen Musikunterricht zu finanzieren. Aber Liebe, Zuneigung und sich um die eigenen Kinder zu kümmern, kostet zwar Mühe und Zeit, aber kein Geld. Es ist vielmehr unbezahlbar, seine Kinder aufmerksam auf dem Weg ins Leben zu begleiten, ihnen Rückhalt und Orientierung zu geben und Aufmerksamkeit zu schenken. Dazu gehört auch, sie sprachlich ebenso wie motorisch zu fordern und zu fördern und sie regelmäßig ärztlich untersuchen zu lassen, damit Auffälligkeiten rechtzeitig erkannt und behandelt werden können.