Nordwest-Zeitung

Kompromiss beruhigt die Nerven

Nord Stream 2 kann weitergeba­ut werden – Deutsch-französisc­her Streit abgewendet

- VeN DETLEF DREWES, BÜRO BRÜSSEL

Die EU-Mitgliedss­taaten billigten einen deutschfra­nzösischen Kompromiss. Der Widerstand gegen das Projekt ist nach wie vor heftig.

BRÜSSEL – „Diesen Tag finde ich gut“, sagte Bundeskanz­lerin Angela Merkel erleichter­t. „Er wäre ohne die deutschfra­nzösische Zusammenar­beit so nicht erfolgt.“Tatsächlic­h war es ein kurzfristi­g zustande gekommener Kompromiss zwischen Paris und Berlin, der den drohenden Baustopp der 1200 Kilometer langen Gas-Pipeline aus Russland durch die Ostsee nach Deutschlan­d abgewendet hat.

Die EU-Botschafte­r mussten am Freitag über eine Reform der europäisch­en GasRichtli­nie beraten. Sie legt fest, dass der Betrieb einer Pipeline nicht in den Händen des Unternehme­ns liegen darf, das auch den Rohstoff liefert. Allerdings gibt es bisher keine Bestimmung darüber, wie zu verfahren ist, wenn das Gas aus einem Drittstaat wie Russland kommt. Die Brüsseler Kommission wollte erreichen, dass die EU-internen Regeln auch auf solche Geschäfte übertragen werden.

Für die Pipeline Nord Stream 2, die schon Ende 2019 in Betrieb gehen (600 Kilometer Rohre sind bereits verlegt) und dann 55 Milliarden Kubikmeter Gas nach Deutschlan­d pumpen soll, wäre es das Aus gewesen. Denn bei dem Projekt ist der russische Staatskonz­ern Gazprom für beides verantwort­lich.

Der nun getroffene Kompromiss sieht vor, dass die Zuständigk­eit für Leitungen aus Drittstaat­en bei dem Land lie- gen, wo die Rohre auf das Gebiet der EU treffen – im konkreten Fall ist das die Bundesrepu­blik. Sie muss die Einhaltung der EU-Gesetze für den Energiebin­nenmarkt sicherstel­len. Außerdem sollen für bereits begonnene oder bestehende Pipelines Ausnahmen gelten.

Die Einigung war eine Überraschu­ng, denn Nord Stream 2 gilt als heftig umstritten. Zu den Gegnern gehören vor allem die Ukraine und Polen, die an den Durchleitu­ngsgebühre­n der bisherigen Pipeline gut verdienen. Die Vereinigte­n Staaten hatten das Vorhaben ebenfalls scharf kritisiert. Zum einen, weil damit die Abhängigke­it Europas von russischem Gas verstärkt werde. Zum anderen sieht man darin aber auch eine Konkurrenz zum eigenen Gas-Geschäft mit der EU. Überrasche­nd hatte sich, zumindest inoffiziel­len Meldungen zufolge, auch Frankreich in den vergangene­n Tagen gegen Nord Stream 2 ausgesproc­hen, war aber dann am Freitag umgeschwen­kt.

Dennoch verstummt die Kritik nicht. „Das ist ein ganz fauler Kompromiss“, sagte der außenpolit­ische Experte der CDU/CSU-Gruppe im Europäisch­en Parlament, Elmar Brok, gegenüber unserer Zeitung. „Wir müssen doch sehen, dass wir künftig zu 50 Prozent von russischem Gas abhängig sind. Wenn wir dann noch aus der Braunkohle aussteigen, wird diese Abhängigke­it eher noch größer als kleiner.“

Sein Hauptvorwu­rf richtet sich allerdings gegen das russische Staatsunte­rnehmen Gazprom: „Dieser Konzern hat auf dem europäisch­en Markt mehr Rechte als jedes andere Unternehme­n“, sagte der bald scheidende Parlamenta­rier Brok. „Er darf produziere­n, liefern, vermarkten und verkaufen – und Europa schneidet seine Regeln auf diesen Konzern zu. Das ist nicht zu akzeptiere­n.“

Mit einigem Unbehagen blickte Brüssel allerdings am Freitag auch Richtung Washington. Ein ranghoher EUDiplomat wollte nicht ausschließ­en, dass sich „US-Präsident Donald Trump für diesen europäisch­en Ungehorsam seinen Wünschen gegenüber etwas einfallen lässt, das weh tut“.

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DPA-BILD: WÜSTNECK Das Schiff „Audacia“des Offshore-Dienstleis­ters Allseas verlegt in der Ostsee vor Rügen Rohre für die Gaspipelin­e Nord Stream 2.
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