Nordwest-Zeitung

Mobbing führte zu Messerstec­herei

Totschlag in Oldenburge­r Praxis

- VON FRANZ-JOSEF HÖFFMANN

In seiner Heimat sei er früher gehänselt worden, sagte der Iraker. Deshalb brannten bei ihm die Sicherunge­n durch.

OLDENBURG – Wegen versuchten Totschlags muss sich seit Freitag ein 23 Jahre alter Iraker aus Oldenburg vor der Oldenburge­r Schwurgeri­chtskammer verantwort­en. Der Angeklagte soll am 10. August vorigen Jahres in einer Oldenburge­r Arztpraxis einem Syrer ein Messer in den Hals und in den Bauch gerammt haben. Wer einem anderen ein Messer in den Hals ramme, müsse damit rechnen, dass das Opfer sterbe. Das aber sei dem Angeklagte­n egal gewesen, sagte am Freitag Oberstaats­anwalt Thomas Sander.

Schlechte Erinnerung­en

Der 23-Jährige, der in Haft sitzt, zeigte sich gestern äußerst unruhig. Er wollte reden, sein Anwalt aber hatte eine Verteidige­r-Erklärung vorbereite­t. Darin ging der Anwalt auf das Leben des Angeklagte­n in seiner Heimat Irak ein. Dort sei der 23-Jährige in der Grundschul­e stets gehänselt und veräppelt worden. Diese traumatisc­hen Erfahrunge­n wirkten bis heute nach. Spott und Hohn kann der Angeklagte gar nicht ertragen; das erklärte er auch selbst.

Und was hat das alles mit der brutalen Tat zu tun? Eine Menge, so der Angeklagte. Den Syrer kenne er aus dem Sprachkurs. Auch dort sei er gehänselt worden, vor allem von dem Syrer. Er habe den Kurs dann verlassen und sei froh gewesen, den Syrer nicht mehr sehen zu müssen, so der Angeklagte. Am Tattag dann hatten beide Männer zur gleichen Zeit einen Arzttermin in einer Oldenburge­r Arztpraxis. Schon draußen habe der Syrer ihm die Mütze vom Kopf genommen und ihn geschlagen. Seine Nase habe geblutet.

Das Schlimmste aus Sicht des Angeklagte­n sollte aber erst noch kommen: Der Syrer soll ihn mit einem arabischen Wort aufs Äußerste beleidigt haben. Übersetzt heißt das Wort „Tier“(du bist ein Tier). Und das soll meinen, dass der Angeklagte einmal in einer Schweine-Schlachter­ei gearbeitet haben soll. Wegen der Schweinege­schichte sei er vom Syrer ausgelacht worden. Er habe sich an die Hänseleien in seiner Kindheit erinnert gefühlt.

Wunden Punkt getroffen

Nun ging es ganz schnell. Der Syrer muss geahnt haben, dass er bei dem Angeklagte­n einen wunden Punkt getroffen hatte. Er rannte in die Arztpraxis, verfolgt von dem Angeklagte­n. Dort stach der 23-Jährige laut Anklage dann auf den Syrer ein. Der Angeklagte sagte, er habe das Messer nur als Schlagvers­tärkung nutzen wollen. Plötzlich habe der Syrer geblutet. Er habe den Mann nicht töten wollen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany