Nordwest-Zeitung

Vor 40 Jahren übernahmen die Mullahs im Iran die Macht

Vor 40 Jahren islamische Revolution im Iran – Heute dominieren politische Spannungen und Machtkämpf­e das Land

- VON FARSHID MOTAHARI UND JAN KUHLMANN

Eine vom Klerus geführte Revolution hat am 11. Februar 1979 den Schah gestürzt. Die Monarchie im Iran wurde kurz danach durch die islamische Republik ersetzt. Die 40 Jahre seither fasste der iranische Satiriker Ali Mirfattah in einem Satz zusammen: „Aus den Monarchist­en wurden keine islamische­n Revolution­äre, aus vielen Revolution­ären aber Monarchist­en.“

Irans einflussre­icher Klerus sieht das natürlich ganz anders. Für ihn steht das Volk weiterhin zum islamische­n System. Die Iraner halten nach Ansicht der Geistliche­n an den drei Prinzipien der Revolution fest: Unabhängig­keit, Freiheit und islamische Republik. Die staatliche Nachrichte­nagentur IRNA spricht sogar von einem „robusten Baum“, der 40 Jahre Widerstand geleistet habe und „unbesiegba­r“sei.

Die Realität sieht aber anders aus. Außenpolit­ische Spannungen, innenpolit­ische Machtkämpf­e zwischen Reformern und Hardlinern und eine fragile Wirtschaft dominieren das Land. Zudem wurde mehr als die Hälfte der jetzigen Bevölkerun­g – also mehr als 40 Millionen Menschen – nach der Revolution geboren. Für sie sind die Kriterien ihrer Eltern oder Großeltern aus den 1980er Jahren nicht mehr tragbar. Dies haben sie auch bei diversen Protesten sehr deutlich gemacht.

Ein weiteres Problem für viele Iraner ist die Nahostpoli­tik des Landes. Warum solle das Ölgeld für arabische Freiheitsb­ewegungen oder das politische Überleben des syrischen Machthaber­s Baschar al-Assad ausgegeben werden, wenn es das Volk selbst weitaus dringender braucht? „Nicht Gaza, nicht Libanon, wir opfern uns nur für den Iran“war einer der Hauptsloga­ns bei den Straßenpro­testen im vergangene­n Jahr. Ihrer Meinung nach ist auch der Ärger mit der Außenwelt und die Sanktionen gegen den Iran nur eine Folge dieser Nahost-Politik.

Eine wichtige Plattform für Kritiker – und dementspre-

chend ein großes Problem für den Klerus – ist das Internet. Was noch vor einigen Jahren nicht offen gesagt werden durfte, ist nun jeden Tag in den sozialen Medien zu lesen. „Immer offener, immer frecher“, sagt eine persische Journalist­in. Daher fordern Klerus und Hardliner strengere Internet-Kontrollen, die aber auch innerhalb des Regimes umstritten sind. „Wenn das Internet oder andere Realitäten des 21. Jahrhunder­ts nicht richtig eingeschät­zt werden, könnte dies zu einem gefährlich­en Generation­enkonflikt führen“, warnt sogar Präsident Hassan Ruhani.

Ruhani ist sogar der Auffassung, die Führungsri­ege brauche einen Generation­swechsel. „Die Verantwort­lichen in unserem Land sind nun mal in einem Alter, wo sie längerfris­tig nicht mehr viel bewegen können“, sagt Ruhani. Auch die Nachfahren der verstorben­en Architekte­n der Revolution machen sich Sorgen um die Zukunft. „Es gibt in der Tat keine Garantie, dass wir für immer bleiben“, sagt Hassan Chomeini, der Enkel des 1989 verstorben­en Revolution­sführers Ajatollah Ruhollah Chomeini.

Chomeini gilt als Kopf und Herz der islamische­n Revolution. Er stellte sich zeitlebens gegen die Monarchie im Iran sowie gegen die USA und besonders gegen Israel. Nach mehr als 14 Jahren im Exil war er am 1. Februar 1979 aus Neauphle-le-Château zurück in den Iran gekehrt. Er wurde vom Verfassung­srat zum „Imam“, dem obersten religiösen Führer, ernannt. Der

gleiche Rat stellte dann auch die Weichen für die Gründung der Islamische­n Republik. Während der Revolution wurde Chomenei auch von nichtislam­ischen Gruppen unterstütz­t, darunter auch Nationalis­ten und Kommuniste­n. Chomeini starb im Alter von 87 Jahren an Herzversag­en. Seine Rolle übernahm sein ehemaliger Schüler Ali Chamenei, der seitdem auch politisch das letzte Wort in allen strategisc­hen Belangen hat.

In die Kritik an der aktuellen Politik der iranischen Führung stimmt auch die Tochter von Ex-Präsident Akbar Haschemi Rafsandsch­ani, Faeseh Haschemi, ein. „Die islamische Ideologie als politische Basis ist gescheiter­t“, sagte die Ex-Abgeordnet­e und Frauenakti­vistin in einem Interview. Aber trotzdem wird es ihrer Meinung nach nicht zu einem Regimewech­sel kommen. Das Schicksal der Menschen in Afghanista­n, Irak, Jemen oder Syrien, wo politische Veränderun­gen nur zu mehr Chaos und Gewalt geführt haben, ist allen Iranern bestens bekannt.

Derzeit haben Land und Regierung aber ein ganz anderes Problem: US-Präsident Donald Trump kündigte nicht nur das Wiener Atomabkomm­en von 2015 auf, sondern verhängte auch neue Sanktionen. Trumps Politik erhöht den Druck auf das Land.

Für Klerus und Hardliner, die von Anfang an gegen den Atomdeal, Ruhanis Reformen und eine Annäherung an den Westen waren, ist all dies ein gefundenes Fressen. Sie hoffen auf ihr Comeback.

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DPA-BILD: CAMPION 1979 in Teheran: Ajatollah Ruhollah Chomeini (Mitte) winkt den Menschenma­ssen, die ihn nach seiner Rückkehr beHrüßen, zu.

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