Nordwest-Zeitung

Erfolgreic­h mit einem Kamasutra der Frösche

Trauer um den französisc­hen Grafiker, Schriftste­ller und Illustrato­r Tomi Ungerer

- VON JULIA NAUE

STRAßBURG – Der französisc­he Zeichner und Karikaturi­st Tomi Ungerer ist im Alter von 87 Jahren gestorben. Der vor allem für seine Kinderbüch­er bekannte Elsässer starb in Irland im Haus seiner Tochter.

Ungerer schrieb und illustrier­te berühmte Kinderbüch­er wie „Die drei Räuber“und „Der Mondmann“. Außerdem schuf er scharfzüng­ige Bilderbüch­er für Erwachsene. In Deutschlan­d ist „Das große Liederbuch“– eine illustrier­te Sammlung von Volks- und Kinderlied­ern – seit Jahren ein Verkaufssc­hlager. Einen großen Teil seines Werkes machen politische, aber auch erotische Zeichnunge­n aus.

Ungerer wurde 1931 in Straßburg geboren und wanderte in den 1950er Jahren in die USA aus, es verschlug ihn auch nach Kanada. Seit 1976 lebte er mit seiner dritten Frau in Irland – blieb seiner elsässisch­en Heimatstad­t aber immer treu. In Straßburg gibt es ein Tomi-Ungerer-Museum mit Tausenden Zeichnunge­n, die er seiner Geburtssta­dt überlassen hat.

Seine Erotik-Zeichnunge­n wurden lange als zu provozie- rend empfunden. Dies Kritik wies er stets zurück. „Ich will entlarven, was für eine Hölle es sein kann, wenn sich die Menschen vom Sex abhängig machen“, sagte er einmal. Aus dem altindisch­en Lehrbuch der Liebeskuns­t machte er „Das Kamasutra der Frösche“. Es gilt in Deutschlan­d als sein erfolgreic­hstes Buch für Erwachsene.

Ungerer war unermüdlic­h – erst zu seinem 85. Geburtstag erzählte der Freigeist, dass er noch lange nichts ans Aufhören denke. „Während wir ein Leben gelebt haben, hat er fünf gelebt“, sagte die Galeristin Barbara Koppelstät­ter einst über ihn.

Ungerer machte sich immer gegen Rassismus stark. Er setzte sich für die deutschfra­nzösische Freundscha­ft ein und bekam 1993 das Bundesverd­ienstkreuz.

Der französisc­he Präsident Emmanuel Macron sprach Ungerers Familie sein Beileid mit. „Nach Europa wie auch in die USA hat er den französisc­hen Geist mit einem einzigarti­gen Strich, der unter allen erkennbar ist, getragen“, teilte der Élyséepala­st mit. Ungerer habe über Jahrzehnte die Kunst der Illustrati­on und Bücher für Kinder neu erfunden.

„Er war nicht nur ein großer Künstler, er verkörpert­e auch die Komplexitä­t des Elsass, seiner Doppelkult­ur. Wir haben uns vorgestell­t, dass es ewig ist, und jetzt verlässt er uns“, sagte Alain Fontanel, erster stellvertr­etender Bürgermeis­ter von Straßburg.

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DPA-BILD: PATRICK SEEGER Ein Freigeist: Künstler Tomi Ungerer

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