Nordwest-Zeitung

Rentnerin als Drogenhänd­lerin

Premiere von „Paulette“im Kleinen Haus des Staatsthea­ters

- VON LORE TIMME-HÄNSEL

Mit der Inszenieru­ng für die August-HinrichsBü­hne gab Anja Panse ihr Regiedebüt am Oldenburgi­schen Staatsthea­ter. In der 7itelrolle brilliert Rita Martens.

OLDENBURG – Im Kino war die Komödie „Paulette“von Jerome Enrico, Bianca Ohlsen, Laurie Aubanel und Cyrill Rambour 2012 ein großer Publikumse­rfolg. Die niederdeut­sche Bühnenfass­ung von Cornelia Ehlers und Christiane Ehlers hat ebenfalls das Zeug dazu. Das Premierenp­ublikum feierte die Inszenieru­ng von Anja Panse am Sonntagabe­nd im Kleinen Haus jedenfalls mit lang anhaltende­m Applaus.

Anja Panse gab mit der Inszenieru­ng für die AugustHinr­ichs-Bühne ihr Regiedebüt am Oldenburgi­schen Staatsthea­ter. Mit klugen und mutigen Einfällen bescherte sie den Besuchern einen vergnüglic­hen, gut zweistündi­gen Theaterabe­nd mit viel Gesang und Tiefgang.

Dazu trägt das Bühnenbild von Katrin Busching bei. Auf mehreren Etagen bringt sie die Wohnungen und die Menschen aus Paulettes Mehrfamili­enhaus in einem herunterge­kommenen Stadtviert­el unter. Das Publikum hat damit alle Mitwirkend­en im Blick. Für die Schauspiel­er bedeutet das eine permanente Bühnenpräs­enz. Das erfordert ein hochkonzen­triertes Spiel, was dem gesamten Ensemble aber ganz wunderbar gelingt.

Paulette (auf ganzer Linie überzeugen­d gespielt von Rita Martens) ist voll Gift und Galle gegen Ausländer. Sie macht sie verantwort­lich für die Pleite ihres Restaurant­s und ihr ärmliches Dasein als Rentnerin. Mit ihrer Tochter (Britta Gurrey) ist sie zerstritte­n, weil die einen Ausländer geheiratet hat. In Paulettes Augen ein islamistis­cher Terrorist, in Wirklichke­it ein ehrbarer Polizist (Karim El-Korhaly).

Herb-charmant wehrt Paulette ein ums andere Mal die Avancen ihres Wohnungsna­chbarn Walter (Heinz-Dieter Grein) ab, trifft sich mit ihren ebenfalls einsamen Freundinne­n Renate (Marion Horst) und Luzie (Maren Groth-Ische) zum Kartenspie­l und hadert ansonsten mit ihrem Schicksal.

Das Sagen im Viertel hat eine Russengang, die einen schwunghaf­ten Drogenhand­el betreibt. Eike Schaumburg als Titov, Pascal Oetjegerde­s als Alexej, Florian Pelzer als

Juri und Thorge Cramer als Oleg sprechen Plattdeuts­ch mit russischem Akzent. Das ist gewöhnungs­bedürftig, aber stimmig.

Als der Gerichtsvo­llzieher Paulettes Möbel pfändet, fasst sie einen Entschluss: Sie will mitmischen im Drogengesc­häft. Ihre Haschkuche­n erweisen sich schon bald als der Verkaufssc­hlager, die Freundinne­n backen eifrig mit. Endlich hat ihr Leben wieder einen Sinn. Rita Martens, Marion Horst und Maren GrothIsche laufen schauspiel­erisch zur Höchstform auf. Das Publikum spart nicht mit Szenenappl­aus.

Aber Paulette wird mit ihren Haschkekse­n zur unliebsame­n Konkurrenz für die Russen, was Oleg auf brutale Weise klar macht. Als Titov auch noch verlangt, dass Paulette die Kekse an der Grundschul­e verkaufen soll, spielt die Rentnerin nicht mehr mit. Die Rache der Russen folgt auf dem Fuße, sie entführen ihren Enkel Leo. In der Rolle erweist sich Malik Ali als ein vielverspr­echendes Talent für die Bühne.

Titov und seine Bande haben die Rechnung ohne die drei resoluten Rentnerinn­en gemacht. Sie können Leo zur Flucht verhelfen, werden aber von der Polizei festgenomm­en und landen im Gefängnis. Paulette ist verzweifel­t. Zu lange hat sie die Schuld nur bei anderen gesucht.

Aber wie könnte es anders sein bei einer Komödie: Es gibt ein Happy End. In Oldenburg gehen die Menschen auf die Straße und demonstrie­ren für die Freilassun­g der drei Drogenomas. Wieder auf freiem Fuß erwartet sie zu Hause im Viertel eine rauschende Willkommen­sparty. Mit schwungvol­len Walzerklän­gen geht ein unterhalts­amer und anregender Theaterabe­nd zu Ende.

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PROBENBILD: VOLKER BEINHORN Machen krumme Geschäfte: Szene mit Pascal Oetjegerde­s (von links), Florian Pelzer, Thorge Cramer, Rita Martens und Marion Horst (im Hintergrun­d)

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