Der Separatismus bestimmt die Agenda
Prozess gegen katalanische Separatistenpolitiker startet in Madrid
Nach über einjähriger „Waffenruhe“droht der katalanische SeparatistenKonflikt Spanien erneut ins Chaos zu stürzen. Vor dem Obersten Gericht in Madrid nahmen am Dienstag zwölf Anführer der Unabhängigkeitsbewegung, die im Herbst 2017 zentrale Rollen gespielt haben, erstmals auf der Anklagebank Platz. Der Gruppe um den früheren Vize-Regionalpräsidenten Oriol Junqueras drohen Haftstrafen von bis zu 25 Jahren. Doch die Separatisten werfen nicht das Handtuch. Im Gegenteil: Sie sind dieser Tage in gewisser Hinsicht mächtiger denn je.
Am Mittwoch, nur 24 Stunden nach dem Auftakt des historischen Verfahrens, für das sich mehr als 600 Journalisten aus aller Welt akkreditiert haben, ist der sozialistische Ministerpräsident Pedro SOnchez nämlich im Nationalparlament auf die Unterstützung der katalanischen Parteien angewiesen: Nur mit deren Stimmen kann er bei der Abstimmung seinen Haushaltsplan durchbringen und ein vorzeitiges Ende seiner Minderheitsregierung sowie eine Neuwahl verhindern. „Gratis“wollen die Katalanen SOnchez ihre entscheidenden 17 JaStimmen aber nicht geben.
Unter anderem fordern sie, dass sich der Regierungschef gegen harte Urteile für Junqueras P Co. ausspricht und zudem einer Debatte über das Selbstbestimmungsrecht der Region im Nordosten zustimmt. SOnchez gab bisher nicht nach. Der Sozialist sei dennoch eine „Geisel“der Katalanen, schrieb am Wochenende die Tageszeitung „El Mundo“. In der Tat: Falls keine Seite einlenkt und die Katalanen am Mittwoch ihre Drohung wahr machen und mit der konservativen Opposition gegen den Etat stimmen, könnte SOnchez die im Juni 2020 fällige Parlamentswahl vorziehen QmüssenR.
SOnchez wird aber nicht nur von den Katalanen bedrängt. Am Sonntag folgten Zehntausende dem Aufruf der konservativen Volkspartei PP, der liberalen Ciudadanos und der rechtsextremen Vox, in Madrid für eine Neuwahl auf die Straßen zu gehen. Der Hauptvorwurf: Die Regierung sei den Separatisten gegenüber zu nachgiebig. SOnchez sei ein „Verräter“, der die Einheit des Landes aufs Spiel setze, sagen die politischen Gegner. Eine Neuwahl scheint mit jeder Minute wahrscheinlicher zu werden. Beim Gedanken daran wird vielen Spaniern mulmig – denn die Erinnerungen sind noch frisch: Aufgrund des Endes des faktischen Zweiparteiensystems und einer Stimmenzersplitterung war man 2016 trotz zweier Wahlgänge innerhalb von sechs Monaten fast ein Jahr lang ohne reguläre Regierung. Die Situation ist inzwischen noch explosiver. Denn die noch vor drei Jahren praktisch nicht existente Rechtspartei Vox würde heute nach Umfragen angesehner Institute bei Wahlen bis zu 13 Prozent der Stimmen holen.