Nordwest-Zeitung

Ein ganz besonderes „Kind ihrer Zeit“

Heddo Peters zeichnet das Leben der Rodenkirch­er Schriftste­llerin Alma Rogge nach

- VON HENNING BIELEFELD

Alma Rogge wurde 1894 geboren und starb vor 50 Jahren. Das Interesse an ihr ist ungebroche­n.

RODENKIRCH­EN – „Wir wollen sie nicht vergessen“, sagte Gabriele Wobbe-Sahm über die berühmtest­e Rodenkirch­erin: Alma Rogge. Deshalb freute sie sich, dass sich rund 50 Zuhörer in den Saal der Gaststätte Friesenhei­m gezwängt hatten, um den Vortrag des Rüstringer Archivars Heddo Peters über die Schriftste­llerin zu hören.

Veranstalt­er war der Bürgervere­in Strohausen, dessen Zweite Vorsitzend­e Gabriele Wobbe-Sahm ist. Heddo Peters machte seinem Ruf als exzellente­r Vortragend­er und als Vermittler verlässlic­her Fakten Ehre: Der Esenshamme­r schilderte ausschließ­lich Belegbares und entwickelt­e vor den Augen und Ohren seiner Zuhörer ein Lebensbild, das in seinem Anfängen dem vieler anderer Mädchen in der nördlichen Wesermarsc­h glich.

Tonaufnahm­en von 1965

Er stützte sich dabei auf die Biografie von Thea Strahlmann, einer Nichte Alma Rogges, die Memoiren von Hanna-Wisser-Thimig und Unterlagen aus dem Rüstringer Archiv. Von dort brachte er auch Tonaufnahm­en Alma Rogges von 1965 mit.

Die am 24. Juli 1894 geborene Alma Rogge blieb nicht das typische Bauernmädc­hen: Schon in der Schule begann sie Texte zu schreiben. Ostern 1911 musste sie, wie alle Mädchen in ihrem Alter, die Höhere Bürgerschu­le in Rodenkirch­en verlassen, um sich im Haushalt ihrer Mutter auf die Ehe vorzuberei­ten.

1912/13 besuchte Alma Rogge das Töchterpen­sionat in Bad Kreuznach, das diese Ausbildung vollenden sollte. Tatsächlic­h gab dieses Jahr dem Leben von Alma Rogge die entscheide­nde Wendung: Sie lernte ihre spätere Lebensgefä­hrtin Hanna Wisser-Thimig (1894 bis 1989) kennen und beschloss, höhere Schulen zu besuchen und zu studieren. Eine weitere entscheide­nde Wendung brachte das Jahr 1913, als Alma Rogge den Vater ihrer Freundin kennenlern­te, den Oldenburge­r Märchen-Professor Wilhelm Wisser. Der ermunterte Alma, ein plattdeuts­ches Theaterstü­ck zu schreiben. Es bekam den Titel „Up de Freete“und wurde am 11. April 1916 unter großer Anteilnahm­e der Rodenkirch­er in Schmedes Hotel – heute Ikaros – uraufgefüh­rt. Nicht zufällig hieß die weibliche Hauptperso­n Hanna.

Abitur als Externe

Ostern 1917 legte Alma in Varel als Externe die Mittlere Reife ab, im September 1918 bestand sie ihre Abiturprüf­ung in Delmenhors­t – ebenfalls als Externe. Damit ging Alma Rogge für eine Bauerntoch­ter einen sehr ungewöhnli­chen und mutigen Weg.

Am 2. Oktober 1918 warf ein tragisches Ereignis die frisch gebackene Abiturient­in aus ihrer vorgezeich­neten Lebensbahn: Ihr älterer Bruder Hinrich fiel bei den letzten Kämpfen des Ersten Weltkriege­s. Er hatte den Hof in Brunswarde­n von den Eltern übernehmen und dort mit seiner Schwester wohnen wollen. Jetzt musste sich Alma neu orientiere­n und in die Welt hinauszieh­en: Göttingen, Berlin, Hamburg, Bremen.

Sie machte sich einen Namen als platt- und hochdeutsc­he Autorin, Dramatiker­in und Journalist­in, arbeitete mal angestellt und mal frei, lebte mal gut und mal nicht so gut von ihrer Arbeit. Doch sie blieb sich treu: eine bodenständ­ige Deern mit Brunswarde­n im Herzen, die die Menschen in ihrer Heimat scharf beobachtet­e, aber warmherzig und humorvoll schilderte. Auch wenn ihre Gedichte, Kurzgeschi­chten, Romane und Theaterstü­cke in Strohausen und Rodenkirch­en spielen, so schildern sie doch immer allgemein menschlich­e Denk- und Verhaltens­weisen.

1937 starb ihr Vater August Rogge, und von dem Erbteil konnte sie sich ein Haus auf dem hohen Weserufer in Bremen-Rönnebeck gegenüber von Berne bauen, wo sie mehr als 30 Jahre lang mit Hanna Wisser-Thimig lebte. Sie blieb uneitel, aß und trank gern und gut und beklagte sich in späteren Jahren oft über ihr Magenleide­n. 1965 ließ sie sich röntgen und schrieb darüber eine heitere Geschichte: „Fröhliche Durchleuch­tung“.

Diagnose: Magenkrebs

Drei Jahre später war es mit der Fröhlichke­it vorbei: Bei einer Operation im April 1968 stellten die Ärzte Magenkrebs fest und brachen den Eingriff ab. Am 7. Februar 1969 starb Alma Rogge in ihrem Haus in Rönnebeck, vier Tage später wurde sie in Rodenkirch­en beerdigt, weitere 20 Jahre später fand Hanna Wisser-Thimig neben ihr die letzte Ruhestätte.

Und die Nazizeit? Die plötzlich wieder aufgeflamm­te Diskussion über eine mögliche Verstricku­ng Alma Rogges? „Ich habe versucht, zu allen Vorwürfen etwas Belegbares zu finden, aber es gibt nichts“, sagte Heddo Peters. „Sobald etwas Belastende­s gefunden wird, bin ich der Erste, der darüber spricht.“Hanna Wisser-Thimig jedenfalls sei Nazi-Gegnerin gewesen. Fest steht, dass Alma Rogge dem Eutiner Dichterkre­is angehört hat, der nazinah war. „Aber wir wissen nicht, was sie dort gesagt hat“, betont Heddo Peters. Und zudem habe auch der in Brake hoch verehrte Schriftste­ller Georg von der Vring diesem Kreis angehört.

„Sie war ein Kind ihrer Zeit“, sagte Heddo Peters.

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BILD: ARCHIV So erinnern sich die Menschen an Alma Rogge. Das Foto entstand 1955.
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BILD: HENNING BIELEFELD @=briele Wobbe-Sahm, Zweite Vorsitzend­e des Bürgervere­ins Strohausen, begrüßte Heddo Peters

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