Pizarro schreibt Fußball-Märchen fort
Peruaner krönt sich mit Ausgleichstreffer in Berlin zum ältesten Torschützen der Bundesliga
SEHENSWERT FUßBALL 22.15 Uhr, RTL Nitro, Rückblick auf den Bundesliga-Spieltag und Höhepunkte vom Montagsspiel Nürnberg - Dortmund; 23.30 Uhr, Sport1, Spieltags-Zusammenfassung 3. Liga
Was für ein Drehbuch: In allerletzter Sekunde rettete Pizarro den Bremern einen Punkt. Der 40-Jährige verblüfft Trainer 7ie Mitspieler.
BERLIN – Claudio Pizarro musste immer wieder grinsen, aus seinen Augen blitzte noch die Aufregung einer unglaublichen Schlussphase. Durch sein freches Freistoß-Tor in letzter Sekunde (90.+6) hatte sich der Oldie von Werder Bremen am Samstagabend beim 1:1 (0:1) bei Hertha BSC mit 40 Jahren und 136 Tagen zum ältesten Torschützen der Fußball-Bundesliga gekrönt – und wird es wohl lange bleiben.
„Es fühlt sich gut an, ich bin sehr stolz“, verriet der Peruaner. Völlig losgelöst sprintete er nach seinem Kunststück mit ausgebreiteten Armen über den Platz des Olympiastadions. Den Rekord hatte er zunächst gar nicht im Sinn, „doch als ich traf, habe ich gejubelt, weil ich wusste, ich habe ihn“, sagte der Sympathieträger.
„Der Typ ist der Wahnsinn“, sagte sein Trainer Florian Kohfeldt, der zunächst Sorge hatte, wie der abgelöste Rekordmann Mirko Votava reagieren würde. Der ist heute Co-Trainer von Werders U 23 und erzielte seinen Rekordtreffer 1996 mit 40 Jahren und 121 Tagen. Es sei nicht so schlimm, ließ Votava dann wissen, „Pizarro ist ein würdiger Nachfolger“, sagte er.
Schlitzohr Pizarro machte den Treffer, obwohl er als Schütze des Freistoßes gar nicht vorgesehen war. Mit Max Kruse sprach er sich ab. „Wir wussten, wenn die Mauer so nah am Tor steht, dann versuchen sie zu springen“, äußerte Pizarro, der den Ball flach durch die löchrige Berliner Mauer drosch – die Kugel wurde zudem zweimal abgefälscht. „So ein Tor habe ich noch nie geschossen“, sagte Pizarro nach seinem 195. Bundesliga-Treffer.
Auch die Mitspieler waren happy. „Das ist ein Märchen, von dem ich gerne meinen Kindern erzählen möchte“, meinte Innenverteidiger Sebastian Langkamp. Und Maximilian Eggestein glaubte an eine Langzeit-Wirkung der Bestmarke. „Dadurch, dass der Fußball immer schneller
wird, kann man heutzutage nicht mehr so lange spielen“, glaubt der 22-Jährige, dass in Zukunft kaum noch ein Profi so alt wird wie „Pizza“.
Doch vielleicht verbessert Pizarro seine Bestmarke in der laufenden oder auch nächsten Saison ja auch selbst. Noch ist unklar, ob er im Sommer aufhört. „Ich weiß es nicht, muss auf meinen Körper hören“, sagte Pizarro. Vielleicht will er es wissen:
FLORIAN KOHFELDT ÜBER CLAUDIO PIZARRO
Den Rekord des ältesten Spielers in der Bundesliga hält Klaus Fichtel, der auch für Bremen auflief und im Mai 1988 mit 43 Jahren, sechs Monaten und drei Tagen noch auf dem Platz stand.
Kohfeldt könnte einen gesunden Pizarro auch im nächsten Jahr gut gebrauchen. „Für gewisse Momente ist er immer noch ein unfassbar guter Spieler“, lobte der Trainer. Vor 20 Jahren bestritt Pizarro ausgerechnet im Berliner Olympiastadion für Werder sein erstes BundesligaSpiel. Kurz darauf gelang ihm der erste Treffer.
Durch Pizarros Rekord-Tor am Samstagabend wendeten die Bremer die erste Niederlage in der Rückrunde gerade noch ab und halten mit nunmehr 31 Punkten den Kontakt zur anvisierten Europa League. Vor 49627 Zuschauern im Olympiastadion ließen die Gäste jedoch die nötige Durchschlagskraft in der Offensive vermissen und waren mit dem 0:1-Halbzeitrückstand durch den Ex-Bremer Davie Selke (25.) noch gut bedient. Selke hatte drei Minuten vor seinem Tor den Pfosten getroffen, in der 37. Minute setzte Hertha-Spielmacher Ondrej Duda einen Freistoß an die Latte.
Nach dem Wechsel investierte Bremen zwar mehr in die Offensive, doch so richtig wollte das Kohfeldt-Team nicht in den Attacke-Modus schalten. Die Gastgeber nahmen geschickt das Tempo aus der Partie. Kohfeldt setzte nach gut einer Stunde ein Zeichen und wechselte unter dem Jubel der mitgereisten Werder-Fans Altmeister Pizarro ein – und der rettete in allerletzter Sekunde den Punkt.
„Es war sicher nicht unsere beste Leistung“, meinte Kapitän Kruse: „Aber man muss auch in solchen Spielen punkten, das ist das, was am Ende zählt.“Am kommenden Freitag empfangen die Bremer den VfB Stuttgart im Weserstadion (20.30 Uhr).
„Der Typ ist der Wahnsinn“