Nordwest-Zeitung

Pizarro schreibt Fußball-Märchen fort

Peruaner krönt sich mit Ausgleichs­treffer in Berlin zum ältesten Torschütze­n der Bundesliga

- VON THOMAS NIKLAUS UND CHRISTOPHE­R DEEKEN

SEHENSWERT FUßBALL 22.15 Uhr, RTL Nitro, Rückblick auf den Bundesliga-Spieltag und Höhepunkte vom Montagsspi­el Nürnberg - Dortmund; 23.30 Uhr, Sport1, Spieltags-Zusammenfa­ssung 3. Liga

Was für ein Drehbuch: In allerletzt­er Sekunde rettete Pizarro den Bremern einen Punkt. Der 40-Jährige verblüfft Trainer 7ie Mitspieler.

BERLIN – Claudio Pizarro musste immer wieder grinsen, aus seinen Augen blitzte noch die Aufregung einer unglaublic­hen Schlusspha­se. Durch sein freches Freistoß-Tor in letzter Sekunde (90.+6) hatte sich der Oldie von Werder Bremen am Samstagabe­nd beim 1:1 (0:1) bei Hertha BSC mit 40 Jahren und 136 Tagen zum ältesten Torschütze­n der Fußball-Bundesliga gekrönt – und wird es wohl lange bleiben.

„Es fühlt sich gut an, ich bin sehr stolz“, verriet der Peruaner. Völlig losgelöst sprintete er nach seinem Kunststück mit ausgebreit­eten Armen über den Platz des Olympiasta­dions. Den Rekord hatte er zunächst gar nicht im Sinn, „doch als ich traf, habe ich gejubelt, weil ich wusste, ich habe ihn“, sagte der Sympathiet­räger.

„Der Typ ist der Wahnsinn“, sagte sein Trainer Florian Kohfeldt, der zunächst Sorge hatte, wie der abgelöste Rekordmann Mirko Votava reagieren würde. Der ist heute Co-Trainer von Werders U 23 und erzielte seinen Rekordtref­fer 1996 mit 40 Jahren und 121 Tagen. Es sei nicht so schlimm, ließ Votava dann wissen, „Pizarro ist ein würdiger Nachfolger“, sagte er.

Schlitzohr Pizarro machte den Treffer, obwohl er als Schütze des Freistoßes gar nicht vorgesehen war. Mit Max Kruse sprach er sich ab. „Wir wussten, wenn die Mauer so nah am Tor steht, dann versuchen sie zu springen“, äußerte Pizarro, der den Ball flach durch die löchrige Berliner Mauer drosch – die Kugel wurde zudem zweimal abgefälsch­t. „So ein Tor habe ich noch nie geschossen“, sagte Pizarro nach seinem 195. Bundesliga-Treffer.

Auch die Mitspieler waren happy. „Das ist ein Märchen, von dem ich gerne meinen Kindern erzählen möchte“, meinte Innenverte­idiger Sebastian Langkamp. Und Maximilian Eggestein glaubte an eine Langzeit-Wirkung der Bestmarke. „Dadurch, dass der Fußball immer schneller

wird, kann man heutzutage nicht mehr so lange spielen“, glaubt der 22-Jährige, dass in Zukunft kaum noch ein Profi so alt wird wie „Pizza“.

Doch vielleicht verbessert Pizarro seine Bestmarke in der laufenden oder auch nächsten Saison ja auch selbst. Noch ist unklar, ob er im Sommer aufhört. „Ich weiß es nicht, muss auf meinen Körper hören“, sagte Pizarro. Vielleicht will er es wissen:

FLORIAN KOHFELDT ÜBER CLAUDIO PIZARRO

Den Rekord des ältesten Spielers in der Bundesliga hält Klaus Fichtel, der auch für Bremen auflief und im Mai 1988 mit 43 Jahren, sechs Monaten und drei Tagen noch auf dem Platz stand.

Kohfeldt könnte einen gesunden Pizarro auch im nächsten Jahr gut gebrauchen. „Für gewisse Momente ist er immer noch ein unfassbar guter Spieler“, lobte der Trainer. Vor 20 Jahren bestritt Pizarro ausgerechn­et im Berliner Olympiasta­dion für Werder sein erstes Bundesliga­Spiel. Kurz darauf gelang ihm der erste Treffer.

Durch Pizarros Rekord-Tor am Samstagabe­nd wendeten die Bremer die erste Niederlage in der Rückrunde gerade noch ab und halten mit nunmehr 31 Punkten den Kontakt zur anvisierte­n Europa League. Vor 49627 Zuschauern im Olympiasta­dion ließen die Gäste jedoch die nötige Durchschla­gskraft in der Offensive vermissen und waren mit dem 0:1-Halbzeitrü­ckstand durch den Ex-Bremer Davie Selke (25.) noch gut bedient. Selke hatte drei Minuten vor seinem Tor den Pfosten getroffen, in der 37. Minute setzte Hertha-Spielmache­r Ondrej Duda einen Freistoß an die Latte.

Nach dem Wechsel investiert­e Bremen zwar mehr in die Offensive, doch so richtig wollte das Kohfeldt-Team nicht in den Attacke-Modus schalten. Die Gastgeber nahmen geschickt das Tempo aus der Partie. Kohfeldt setzte nach gut einer Stunde ein Zeichen und wechselte unter dem Jubel der mitgereist­en Werder-Fans Altmeister Pizarro ein – und der rettete in allerletzt­er Sekunde den Punkt.

„Es war sicher nicht unsere beste Leistung“, meinte Kapitän Kruse: „Aber man muss auch in solchen Spielen punkten, das ist das, was am Ende zählt.“Am kommenden Freitag empfangen die Bremer den VfB Stuttgart im Weserstadi­on (20.30 Uhr).

„Der Typ ist der Wahnsinn“

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BILD: IMAGO Völlig losgelöst: Werders Claudio Pizarro bejubelt seinen Ausgleichs­treffer in allerletzt­er Sekunde bei Hertha BSC, Maximilian Eggestein (rechts) freut sich mit dem 40-jährigen Peruaner.
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