Nordwest-Zeitung

Perfides Spiel hinter den Kulissen

Aobert Galbraith alias J.K. Rowling lässt Detektiv Strike wieder ermitteln

- VON FRAUKE KABERKA

MÜNCHEN – London kurz vor der Eröffnung der Olympische­n Spiele: Politik und Polizei haben alle Hände voll zu tun mit Organisati­on und Absicherun­g. Dem seit seinem jüngsten Fall („Die Ernte des Bösen“, 2016) zwar äußerst populären, aber klammen Privatdete­ktiv Cormoran Strike kommt der Anruf des Kulturmini­sters sehr zupass. Jasper Chiswell wird erpresst. Er fürchtet einen Skandal. Strike soll helfen. Das wird er, wenn auch nicht so, wie Chiswell es sich vorgestell­t hat.

Fast drei Jahre dauerte es, bis Robert Galbraith alias J.K. Rowling (53) ihren Ermittler wieder in die Spur schickte. Doch die Wartezeit hat sich gelohnt. „Weißer Tod“, der vierte Fall für Strike und seine Partnerin Robin Ellacott, toppt seine sehr erfolgreic­hen Vorgänger noch – an Komplexitä­t und Raffinesse.

Die Schöpferin von Harry Potter versteht es exzellent, persönlich­e Befindlich­keiten ihrer Protagonis­ten in politische und gesellscha­ftliche Konstellat­ionen einzubette­n, dabei ein überwältig­endes Lokalkolor­it zu vermitteln und eine fesselnde Geschichte zu formuliere­n.

Bevor sich Strike und Robin mit dem Chiswell-Fall befassen, hat der Detektiv eine Begegnung mit einem offenbar psychisch kranken jungen Mann, der in seiner Kindheit einen Mord beobachtet zu haben glaubt. Strike nimmt Billys Gestammel ernst und Ist auch unter dem Pseudonym Robert Galbraith erfolgreic­h: die britische Autorin J.K. Rowling. Kleines Bild: der Buchumschl­ag

forscht nach. Seine Spur führt ihn zu Billys Bruder Jimmy und in die Londoner Autonomen-Szene, die gegen die Spiele protestier­t und die Tory-Regierung ohnehin im Fokus ihres Widerstand­s hat.

Alles spricht dagegen, doch wenn Strike seinem Bauchgefüh­l folgen will, muss er Billys Beobachtun­g mit dem Chiswell-Auftrag in Verbindung bringen. Doch er findet heraus, dass Chiswells Erpressung

nichts damit zu tun hat, der Anlass für die penetrante Nötigung ist nicht einmal gesetzeswi­drig.

Wer Chiswell erpresst, wird lange ein Rätsel sein. Und auch der Grund dafür kommt erst kurz vor Ende ans Licht. Sowohl der Minister als auch seine Familie halten sich äußerst bedeckt. Sie betonen lediglich, dass nichts Illegales vorgefalle­n sei, allenfalls etwas moralisch Bedenklich­es. Und dann geschieht ein Mord, der neue Rätsel aufgibt.

So irren Robin und Strike zwischen Mord und Erpressung, zwischen Motiv und Möglichkei­t aller Verdächtig­en hin und her und kommen der Lösung immer nur in winzigen Schritten näher. Dieses langsame Herantaste­n offenbart die Kunst der Autorin, die Spannung auch ohne Spektakel hoch zu halten. Zum Teil erreicht sie das mit straff gespannten Beziehungs­fäden zwischen den beiden ungleichen Partnern, die in ihren jeweiligen Verbindung­en zu ersticken drohen, aber unfähig sind, sich gegenseiti­g anzuvertra­uen.

Strike und Robin sind sowohl Kitt als auch Suchtfakto­r in den Galbraith-Storys. Wer die drei Vorgänger-Krimis nicht kennt – was schade, aber auch kein Hindernis wäre –, wird im vierten Buch gleich zu Beginn mit dieser außergewöh­nlichen Koalition konfrontie­rt, nämlich bei der von Strike sehr missbillig­end zur Kenntnis genommenen Hochzeit Robins mit ihrem Jugendfreu­nd Matthew. Am Ende des Buches gibt es neue Konstellat­ionen und neuen Stoff zum Spekuliere­n.

Was die Lektüre besonders macht, ist der Kriminalfa­ll, der fiktiv, aber durchaus denkbar ist – teilweise angesiedel­t in einem der Öffentlich­keit weniger zugänglich­en Milieu – der großen Politik und High Society Londons. Die Olympische­n Spiele samt anschließe­nden Paralympic­s versetzten London 2012 tatsächlic­h in einen Ausnahmezu­stand, was den Plot noch authentisc­her wirken lässt.

Rowling selbst nennt das Buch „eines der anspruchsv­ollsten, die ich je geschriebe­n habe; zugleich ist es auch eins meiner liebsten“. Dem wird man sich vermutlich gern anschließe­n.

 ?? DPA-BILD: FOLEY ?? Robert Galbraith: „Weißer Tod“, Blanvalet Verlag, München, 864 Seiten, 24 Euro.
DPA-BILD: FOLEY Robert Galbraith: „Weißer Tod“, Blanvalet Verlag, München, 864 Seiten, 24 Euro.
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