Nur ein gemeinsamer Weg aus dem Albtraum
Texte von James Baldwin neu übersetzt – =dition bei dtv
MÜNCHEN – Sprachliche „Wucht“ist eine ungemein zutreffende Bezeichnung, die im Zusammenhang mit dem Schriftsteller James Baldwin häufig zu lesen ist. Namentlich im Zusammenhang mit seinem Essay-Band „Nach der Flut das Feuer“(The Fire Next Time), der in der James-Baldwin-Edition von dtv (124 Seiten, 18 Euro) von Miriam Mandelkow neu übersetzt wurde. Baldwin, 1924 in New York/Harlem geboren, 1987 in Südfrankreich gestorben, war nicht nur ein vielfach ausgezeichneter Schriftsteller, der gerade wiederentdeckt wird, sondern auch eine Ikone der Gleichberechtigung aller Menschen – unabhängig von Hautfarbe, Herkunft oder sexueller Orientierung.
Das Buch enthält zwei Essays – der erste ist an seinen 15jährigen Neffen gerichtet, zum 100. Jahrestag der Sklavenbefreiung, der zweite („Vor dem Kreuz“) führt zurück in seine Jugend, in der er als Laienprediger mit packender Rhetorik die Menschen mitzureißen verstand. Präzise und scharfsinnig schildert er den rassistischen Albtraum Amerikas. Schon als Zehnjähriger wurde er zum ersten Mal Opfer weißer Polizeigewalt, 30 Jahre später, 1963, schrieb er „The Fire Next Time“. Das Buch wurde sofort ein Bestseller. Es war die Zeit der Massenproteste, der Bürgerrechtsbewegung, damals lebten noch Martin Luther King und Malcolm X, wurden friedliche Demonstrationen niedergeknüppelt.
Doch Baldwin schreibt nicht von Hass auf die Weißen, wenn er seinen Neffen ein Paradox erklärt: „Die schreckliche Wahrheit ist, mein Junge, Du musst sie akzeptieren.“Diesen Menschen, die sich „durch Deine Gefangenschaft in Sicherheit wähnten“, entgleite gerade die Wirklichkeit: „Aber diese Menschen sind Deine Brüder.“Und die müsse man „mit Liebe“dazu zwingen, „sich selbst so zu sehen, wie sie sind, dass wir nicht länger vor der Wirklichkeit davonlaufen, sondern sie nach und nach ändern“. Worte, die 56 Jahre später noch immer wuchtig sind, noch immer aktuell.