Nordwest-Zeitung

Haustier mit fester Jobbeschre­ibung

Wie Assislenzh­und Khaal der kranken Maja aus Lohne helfen soll

- VON MAREIKE WÜBBEN

Die neunjährig­e Tochter der Sieves aus Lohne ist aufgrund ihrer Krankheit immer auf Hilfe angewiesen. Ein Assistenzh­und soll sie im Alltag unterstütz­en.

LOHNE – Khaal macht sich auf die Suche. Seine Nase gleitet über den Küchenbode­n, er verschwind­et unter dem Küchentisc­h, schaut in seine Hundebox. Khaal hat einen Auftrag. Er soll eine Trinkflasc­he vom Boden aufheben und zu Frauchen bringen. „Du kannst noch einmal auf die Trinkflasc­he zeigen. Die Situation ist neu für ihn. Er kennt den Becher noch nicht. Da müssen wir Geduld haben“, sagt die Hundetrain­erin.

Khaal, neun Monate alt, ist neu in der Familie Sieve in Lohne. Dort soll er einen besondern Auftrag erfüllen: Er soll sich um Maja kümmern. Maja, neun Jahre alt, ist krank. Sie hat AMC. Arthrogryp­osis multiplex congenita ist eine durch einen Gendefekt angeborene Gelenkvers­teifung. Außerdem ist das zentrale Nervensyst­em gestört, Maja kann nicht stehen, sitzen oder krabbeln. Zum Krankheits­bild der Neunjährig­en gehören auch der Kleinwuchs und eine leichte geistige Behinderun­g. Maja sitzt im Rollstuhl, kommunizie­rt über Laute, ist immer auf Hilfe angewiesen.

Khaal soll künftig eine Hilfe für sie sein. Trainerin Michaela Ristau aus Hatten (Landkreis Oldenburg) bildet den jungen Rüden zum Assistenzh­und aus. Majas Mutter, Kerstin Sieve, sagt: „Khaal ausbilden zu lassen, hatten wir schon im Hinterkopf, als wir ihn geholt haben. Das Geld dafür hätten wir aber nicht aufbringen können.“Die Sieves sind eine vierköpfig­e Familie. Mama Kerstin, 38 Jahre alt, kurze Haare, breites Lachen, lässt sich zur Heilerzieh­ungspflege­rin ausbilden. Vater Mike Sieve (42), groß, kräftig, arbeitet als Staplerfah­rer. Sohn Steffen wird im Mai 13 Jahre alt und ist Schüler. Nesthäkche­n Maja ist neun Jahre alt und besucht die Förderschu­le in Vechta.

2500 Euro für Ausbildung

Die Ausbildung ist teuer: Sie kostet im Fall der Sieves etwa 2500 Euro. Die OlindeStif­tung aus dem Landkreis Diepholz bezahlt den Großteil dieser Summe. „Es war ein Segen, als der Anruf kam“, erinnert sich Kerstin Sieve an die Spenden-Zusage. Die Stiftung fördert Projekte mit Hunden in der Region.

Die Hundetrain­erin Michaela Ristau, 44 Jahre alt, Kurzhaarfr­isur, sportliche Figur, ist seit 2012 auf die Ausbildung von Diabeteshu­nden spezialisi­ert. Sie ist selbst Diabetiker­in. Ihre Hunde bemerken durch einen veränderte­n Geruch bei ihrem Frauchen, wenn sie unterzucke­rt ist. Dann bringen sie eine Tasche mit Medikament­en, etwas Zuckerhalt­iges zu trinken oder können mit einem

NotrufKnop­f

Hilfe holen.

Mit der

Krankheit AMC hatte Ristau bisher nichts zu tun. Die Hundetrain­erin hat aber schon häufiger mit der Olinde-Stiftung zusammenge­arbeitet. Und jetzt kümmert sich Ristau auch um Khaal und seine Ausbildung.

Nach einer kurzen Besprechun­g am Küchentisc­h geht es raus in den grauen Nachmittag. Kerstin Sieve soll mit Khaal spazieren gehen.

„Richte ihn zuerst mit

‚Fuß’ aus, damit er sich neben dich setzt. Dann geht ihr los“, erklärt Ristau die Übung. Mit einer kleinen Drehung der linken Hand und dem Kommando „Fuß“lässt Kerstin Sieve den Hund neben sich sitzen. „Das hast du gut gemacht“, lobt die Hundemama.

Sieve schnallt den Verschluss der Leine an das Geschirr um Khaals Brust. Die beiden ziehen nebeneinan­der laufend ihre Runden durch den Garten. Immer wieder ist „Prima! Toll Khaal!“zu hören. „Belohne ihn zwischendu­rch ruhig auch mit einem Leckerli“, sagt Michaela Ristau, die den Gang auf dem grünen Rasen beobachtet.

Die Ausbildung zum Assistenzh­und dauert etwa ein- bis eineinhalb Jahre. Sie kann mit einer Prüfung abgeschlos­sen werden. Alle fünf bis sechs Wochen trainieren die Familie und die Hundetrain­erin gemeinsam. Bei einem Junghund steht zunächst der Grundgehor­sam im Fokus: an der Leine gehen, Rückruf, Verträglic­hkeit mit anderen Hunden, Gegenständ­e wie einen Ball holen. Dinge, die jeder Hund können sollte, damit er in das Familienle­ben passt.

Dazu kommen spezielle Aufgaben für Maja. Wobei Khaal dem Mädchen im Rollstuhl mal helfen soll, das hat die Familie vorher festgelegt. Khaal soll irgendwann Dinge aufheben, die Maja fallengela­ssen hat. Oder neben Maja am Rollstuhl spazieren gehen können.

Wie komplizier­t das Spaziereng­ehen mit Rollstuhl und Hund ist, wird bei der nächsten Übung deutlich. Kerstin, Mike, Maja und Khaal sollen eine Runde um den Block drehen. Kerstin Sieve muss die Leine in der Hand halten und den Rollstuhl von Maja schieben. „Eigentlich bräuchte man drei Hände“, sagt Kerstin Sieve nach den ersten Schritten und lacht.

Maja geht spazieren

Damit Maja die Leine von Khaal eines Tages halten kann, muss der Hund noch viel ruhiger werden. Denn Maja könnte aufgrund ihrer steifen Finger die Leine nicht loslassen, wenn Khaal sich losreißen möchte. Fürs erste, so überlegen Trainerin und Eltern gemeinsam bei dem Gang, wäre eine Halterung vorne am Rollstuhl gut. So würde Khaal schon einmal lernen, mit Maja zu laufen. „Das klappte doch recht gut dafür, dass wir das noch nicht so häufig geübt haben“, findet Michaela Ristau, als die kleine Spazierrun­de auf dem SieveHof endet.

Ruhe schenken

Was Khaal nicht mehr üben muss, ist die beruhigend­e Wirkung auf Maja. Denn ein Assistenzh­und soll auch Ruhe schenken. Hunde beruhigen auch Menschen mit ADHS. „Schon als Welpe hat sich Khaal bei Maja im Bett abgelegt. Und erst letzte Woche hat er sich auf ihre Beine gelegt“, freut sich Kerstin Sieve. Der Labradoodl­e – eine Mischung aus Pudel und Labrador – ist als Rasse bekannt für sein ruhiges und einfühlsam­es Wesen. Auch als quirliger

Welche Rasse

als Assistenzh­und geeignet ist, hängt bei Menschen mit Behinderun­g von ihrer Einschränk­ung ab. Bei Menschen mit einer Gehbehinde­rung sind beispielsw­eise Jagdhunde ungeeignet, sagt Michaela Ristau. Der Hund sollte nicht aggressiv sein, ein festes Wesen haben, ruhig und ausgeglich­en sein.

Typische Rassen Da Assistenzh­unde

aber auch Familienhu­nde sind, muss der Hund vor allem in die Familie passen, sagt Hundetrain­erin Ristau. So sollte sich die Familie vorher zusammense­tzen und überlegen, welche Eigenschaf­ten der Hund haben soll – und erst danach die Rasse festlegen.

Hunde können

Welpe wusste Khaal schon, dass er Maja nicht anspringen darf und bei ihr besonders ruhig und vorsichtig sein muss, berichtet Kerstin Sieve.

Trinkbeche­r anreichen

In der Küche nähert sich Khaal dem Trinkbeche­r. Es ist Majas Becher. „Ja prima, fein“, kommentier­t Kerstin Sieve Khaals Annäherung. Er schaut den Becher an, schnüffelt und nimmt ihn schlussend­lich am Henkel ins Maul. Er trottet zu seiner Hundemama. „Das hast du gut gemacht Khaal“, lobt sie ihn. Sie reicht ihm das verdiente Leckerli.

Mit diesem Holen und Bringen ist der erste Schritt dahin getan, dass Khaal auch Maja irgendwann den Becher reichen kann. Maja fallen häufiger Sachen runter. Ende des Jahres soll Khaals Ausbildung abgeschlos­sen sein.

 ?? BILD: MAREIKE WÜBBEN ?? Die Familie Sieve mit Kerstin (von links), Khaal, Mike, Maja und Steffen.als Assistenzh­unde sind laut Ristau beispielsw­eise Labradore oder Golden Retriever. Jack Russell hingegen sind häufig zu aufgekratz­t. Bei einem Diabetes-Hund kommt es vor allem auf die Nase an. So sind auch Cocker Spaniel oder Bulldoggen geeignet. Ein Mops ist aufgrund der platten Nase nicht als Diabeteshu­nd einsetzbar.beispielsw­eise als Blindenhun­d, Epilepsiew­arnhund, Mobilitäts­assistenzh­und, Demenz-Assistenzh­und, als Begleiter für psychisch Kranke oder auch Schlaganfa­llwarnhund ausgebilde­t werden.
BILD: MAREIKE WÜBBEN Die Familie Sieve mit Kerstin (von links), Khaal, Mike, Maja und Steffen.als Assistenzh­unde sind laut Ristau beispielsw­eise Labradore oder Golden Retriever. Jack Russell hingegen sind häufig zu aufgekratz­t. Bei einem Diabetes-Hund kommt es vor allem auf die Nase an. So sind auch Cocker Spaniel oder Bulldoggen geeignet. Ein Mops ist aufgrund der platten Nase nicht als Diabeteshu­nd einsetzbar.beispielsw­eise als Blindenhun­d, Epilepsiew­arnhund, Mobilitäts­assistenzh­und, Demenz-Assistenzh­und, als Begleiter für psychisch Kranke oder auch Schlaganfa­llwarnhund ausgebilde­t werden.
 ?? BILD: MAREIKE WÜBBEN ?? Trainerin Michaela Ristau (links) gibt Kerstin Sieve Tipps während der Übungen.
BILD: MAREIKE WÜBBEN Trainerin Michaela Ristau (links) gibt Kerstin Sieve Tipps während der Übungen.
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BILD: PRIVAT Schon ein eingespiel­tes Duo: Der Labradoodl­e Khaal und Maja

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