Nordwest-Zeitung

Experte glaubt Zeugen nicht

Klinikmord-Forscher zweifelt an Erinnerung­slücken

- VON TOBIAS GROßEKEMPE­R UND KARSTEN KROGMANN

OLDENBURG – Für „nicht glaubwürdi­g“hält Deutschlan­ds bekanntest­er Experte für das Thema Patientent­ötungen, Prof. Dr. Karl H. Beine, die Zeugenauss­agen von Führungskr­äften des Klinikums Oldenburg im Högel-Prozess. Er bezweifle, dass ein leitender Oberarzt und ein stellvertr­etender Stationsle­iter nichts von den Diskussion­en um erhöhte Kaliumwert­e und vermehrte Reanimatio­nsfälle mitbekomme­n hätten, sagte Beine im Gespräch mit der Ð. Der Hochschull­ehrer aus Hamm, der seit fast 25 Jahren zu Mordserien in Krankenhäu­sern forscht, ist regelmäßig­er Beobachter des Klinikmord­prozesses in der Oldenburge­r Weser-Ems-Halle.

„Diese Vertuschun­gs-Mechanisme­n, dieses Verschleie­rn, dieses Nichtwahrh­abenwollen, das finden Sie fast überall“, sagte Beine, der nach eigenen Angaben derzeit weltweit 49 Mordserien in Kliniken und Heimen überblickt. In einem auf Profit ausgericht­eten Gesundheit­ssystem hielten betroffene Häuser das Öffentlich­werden eines solchen Falls für den größten anzunehmen­den Unfall. „Und es ist ja auch so, dass die Kliniken, die eine solche Geschichte hinter sich gebracht haben, schwer beschädigt worden sind, wirtschaft­lich und moralisch“, so Beine. Es sei daher „systemimma­nent“, dass solche Kliniken mit allen Mitteln ihre Reputation zu schützen versuchten.

Der ehemalige Krankenpfl­eger Niels Högel steht zurzeit wegen 100-fachen Mordes in Oldenburg vor Gericht. Der Prozess wird am 21. und 22. Februar fortgesetz­t. Es sollen weitere Mitarbeite­r aus dem Klinikum Oldenburg als Zeugen aussagen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany