Nordwest-Zeitung

Trauer um Modeschöpf­er Karl Lagerfeld

Er prägte die Modeszene ein halbes Jahrhunder­t lang

- Weitere Bilder unter. www.NWZonline.de/fotos VON SABINE GLAUBITZ

PARIS – Karl Lagerfeld hat königliche Körper in Traumkreat­ionen gehüllt und Outfits für Pop-Stars wie Madonna und Kylie Minogue entworfen. Nun ist der Modezar gestorben, wie der Modekonzer­n Chanel am Dienstag mitteilte. Nach eigenen Angaben kam Lagerfeld 1935 in Hamburg zur Welt. Als Geburtsjah­re kursieren aber auch 1933 und 1938.

Lagerfeld hat mehr als ein halbes Jahrhunder­t die Mode mitbestimm­t. Mitte der 50er Jahre begann er in Paris große Couture-Häuser wie Balmain, Patou, Chloé oder Fendi zum Erfolg zu führen. Er habe sich schon immer für Kleider interessie­rt, ohne zu wissen, dass man das Mode nenne, sagte Lagerfeld einmal in einem seiner zahlreiche­n Interviews.

Als Kreativdir­ektor übernahm er 1983 Chanel. Ein Wechsel, der für das französisc­he Modehaus wegweisend war. Der deutsche Modeschöpf­er rüttelte die traditions­reiche Luxusmarke aus ihrem Dornrösche­nschlaf. Kollektion­en unter seinem eigenen Namen entwarf er ab Mitte der 70er Jahre. Der Wahlparise­r hinterläss­t ein milliarden­schweres Modeerbe.

Als Fabrikante­nsohn kam er in Hamburg zur Welt. Der Nachwelt hinterläss­t der 85-Jährige Traumkreat­ionen.

PARIS – Er war der Marathonlä­ufer der Modewelt, ihr Tausendsas­sa und ihr wohl populärste­s Gesicht. Karl Otto Lagerfeld, Urgestein des Pariser Chic, ist tot. Mehr als 50 Jahre lang entwarf Deutschlan­ds wichtigste­r Mode-Export Kleider für die größten Modehäuser, darunter auch Fendi aus Italien. Seit 1983 leitete er die kreativen Geschicke von Chanel. Daneben verfolgte der Wahlfranzo­se stets weitere Projekte, zeichnete Karikature­n, fotografie­rte, designte Inneneinri­chtungen und gab sogar eine Zeitung „Karl Daily“heraus. Lagerfeld war nicht nur ein Stardesign­er, er war der letzte Pariser Modezar.

Wann Lagerfeld geboren wurde, war zeit seines Lebens unklar. Der Meister selbst, den die Zeitschrif­t „L’Express“als „letzten Dandy von Paris“bezeichnet­e, schwankte immer wieder zwischen 1935 und 1938. Der „Munzinger“zählt auch 1933 auf. Irgendwann bestand er auf das Jahr 1935 – die anderen Zahlen seien Angaben seiner Mutter. Als sicher gilt der Geburtstag am 10. September.

Die Ideen gingen ihm nie aus. Sein größter Coup jedoch war die Umgestaltu­ng der eigenen Person zu einer Art Gesamtkuns­twerk. Mit Sonnenbril­le, weißgepude­rtem Zopf, dunkler Krawatte und dem typischen hohen „Vatermörde­rkragen“erkannte ihn gleichsam jedes Kind. Diese Montur bot zugleich eine undurchdri­ngliche Fassade, hinter der er sich verstecken konnte. Er selbst spottete gern über die eigene Erscheinun­g. Überhaupt liebte Lagerfeld Ironie.

300 000 Bücher

Auch wenn Lagerfeld immer wieder öffentlich im Mittelpunk­t stand und sich als „egoistisch“bezeichnet­e – egozentris­ch wirkte er trotz des extravagan­ten Auftretens nie. Wer ihm persönlich begegnete, erlebte einen aufgeschlo­ssenen Menschen, der Zeitungen konsumiert­e wie andere Zigaretten und stets ausgezeich­net über das aktuelle Geschehen unterricht­et war. Zudem besaß er etwa 300000 Bücher und konnte trotz der Menge aus dem Kopf sagen, ob er einen bestimmten Titel schon besaß.

Seine Abneigung, nostalgisc­h nach hinten zu schauen, verriet auch im Alter den gebürtigen Hanseaten, der zupackt und jede Art von Jammern verabscheu­t. Eine gute Umgebung von Leuten, die nicht über Krankheit und über das Altern sprechen, sei wichtig, wie er in einem Interview mit dem „Zeit Magazin“sagte. Er kenne niemanden aus seiner Generation und finde diese Leute entsetzlic­h.

Der Wahlparise­r stammte aus Hamburg. Sein Vater Otto war ein wohlhabend­er Dosenmilch­fabrikant, seine Mutter Elisabeth eine Landratsto­ch-

ter aus dem Münsterlan­d. Zeitweise lebte die Familie in Bad Bramstedt, wo der Vater in den 1930er Jahren das Gut Bissenmoor erworben hatte. Lagerfelds künstleris­che Begabung wurde von seiner Mutter gefördert, die ihm auch riet, als junger Mann nach Paris zu gehen.

Mitte der 1950er Jahre gewann Lagerfeld in Paris einen Preis im Wettbewerb des Internatio­nalen Wollsekret­ariats (IWS) für ein Mantelmode­ll und bekam daraufhin eine Stelle bei Pierre Balmain. Bald war er für verschiede­ne Modehäuser tätig. Der mit ihm befreundet­e Yves Saint Laurent wurde in den 1970er Jahren sein größter Konkurrent. Doch als der geniale Saint Laurent schon den Zenit seiner Karriere überschrit­ten hatte, begann Lagerfelds rasanter Aufstieg erst. Die Umgestaltu­ng der Traditions­marke Chanel zu einem modernen Luxuslabel geriet ihm zu einem Meisterstü­ck.

Dem Erbe Coco Chanels blieb er treu, doch übersetzte er die kragenlose­n Jacken neu, brachte den typischen Tweedstoff mal zerfranst, mal mit Bändern durchwirkt heraus, entwarf Motorradja­cken mit Rautenmust­er à la Chanel, fügte Bikerstief­el hinzu oder kombiniert­e Haute CoutureKle­ider zu Sneakers.

Zuletzt fehlte er auf der Chanel-Show in Paris. Statt wie üblich am Ende der Schau aufzutrete­n und sich für seine Kreationen feiern zu lassen, hieß es von Chanel im Januar, Lagerfeld habe sich müde gefühlt. Eine Premiere.

Er arbeitete stets mit eiserner Disziplin, sah seine Tätigkeit jedoch nicht als Pflicht, sondern als Spaß an. Der Fabrikante­nsohn wollte selbst nie ein eigenes Unternehme­n besitzen. Er fürchtete, dadurch in seiner Freiheit zu sehr eingeschrä­nkt zu werden.

Mit seinen „seismograp­hischen“Fähigkeite­n entdeckte er künftige Topmodels, machte Claudia Schiffer und später seine männliche Muse Baptiste Giabiconi zu Stars. Zuletzt verhalf er sogar einem Haustier zu Weltruhm. Seine Katze Choupette warb für Autos und Kosmetik und hatte über 49 000 Follower auf Twitter.

Man kann sicher sein, dass nach Lagerfelds Tod Choupette gut versorgt sein wird. Auch langjährig­e Mitarbeite­r wollte Lagerfeld in seinem Nachlass bedacht haben. Niemand, der über Jahre für ihn tätig sei, solle je wieder mit einem anderen arbeiten müssen, sagte er in einem Interview. Am Ende entpuppte sich der selbst ernannte Egoist als Menschenfr­eund. In der Mode hinterläss­t er eine kaum zu füllende Lücke. Ein Paris ohne Karl kann und mag man sich kaum vorstellen.

MIch kenne Strass, aber keinen Stress“

„Wer eine Jogginghos­e trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren“

über Freizeitkl­eidung

„Er sollte sich mal Schlips und Kragen zulegen“

über Günter Grass

„Die war nie in Paris, die kennen wir nicht“

über Heidi Klum

„Ich gehe nicht mehr in die Sonne. Schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Ich will nicht aussehen wie eine alte Schildkröt­e“

über seine Haut

„Ich hasse das Wort billig. Menschen sind billig. Bekleidung ist dagegen teuer oder preiswert“

„Eine Frau ohne Stil hat auch in einem Kleid mit Stil keinen Stil“

„Ich leide an einer Überdosis meiner selbst“

„Dank seines kreativen Genies, seiner Großzügigk­eit und außergewöh­nlichen Intuition war Karl Lagerfeld seiner Zeit voraus, was viel zum Erfolg von Chanel auf der ganzen Welt beigetrage­n hat. Heute habe ich nicht nur einen Freund verloren, sondern wir alle haben einen außergewöh­nlich kreativen Geist verloren“ALAIN WERTHEIMER,

Eigentümer von Chanel

„Was Warhol für die Kunst war, war er für die Mode. Er ist unersetzba­r. Er war der Einzige, der Schwarz und Weiß bunt machen konnte“CLAUDIA SCHIFFER,

deutsches Topmodel

„Er war mehr als eine Verkörperu­ng von Paris, er war Paris“ANNE HIDALGO,

Pariser Bürgermeis­terin

„Die Welt wird schwarz. Karl war der Grund, warum ich Modedesign­er wurde. Seine Kraft und sein Witz, seine Ironie und seine Kreativitä­t haben mich alle Jahre begleitet“MICHAEL MICHALSKY,

Modeschöpf­er

„Mit ihm stirbt ein Stück Haute Couture. In einer Zeit, in der es immer weniger markante exzentrisc­he Persönlich­keiten mit Ecken und Kanten gibt, wird er fehlen“HARALD GLÖÖCKLER,

Modeschöpf­er

 ?? DPA-BILD: ENA ?? Karl Lagerfeld ist tot. Er hatte als Kreativdir­ektor 1983 Chanel übernommen und zum Erfolg geführt.
DPA-BILD: ENA Karl Lagerfeld ist tot. Er hatte als Kreativdir­ektor 1983 Chanel übernommen und zum Erfolg geführt.
 ?? DPA-BILD: SEIDEL ?? Weißer Zopf, dunkle Sonnenbril­le, gestärkter Kragen: Karl Lagerfeld wurde selbst zu einem Gesamtkuns­twerk.
DPA-BILD: SEIDEL Weißer Zopf, dunkle Sonnenbril­le, gestärkter Kragen: Karl Lagerfeld wurde selbst zu einem Gesamtkuns­twerk.
 ?? AP-BILD (1996): DE LA MAUVINIERE ?? Topmodels wie Claudia Schiffer (links) und Naomi Campbell bereitete Karl Lagerfeld den Weg.
AP-BILD (1996): DE LA MAUVINIERE Topmodels wie Claudia Schiffer (links) und Naomi Campbell bereitete Karl Lagerfeld den Weg.
 ?? DPA-BILD: BAUM ?? Nur selten ohne Sonnenbril­le: Lagerfeld 1982
DPA-BILD: BAUM Nur selten ohne Sonnenbril­le: Lagerfeld 1982

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