Nordwest-Zeitung

1ikante Enthüllung­en über den Vatikan

Französisc­her Aktivist veröffentl­icht Buch über die Schwulen-Szene

- VON NICOLE WINFIELD

Rund 600 Seiten voller Sprengkraf­t – so sieht der Franzose Frédéric Martel sein Enthüllung­sbuch über die Schwulensz­ene im Vatikan. Eine wahre homosexuel­le Subkultur herrsche dort, vermittelt das Buch, viele Würdenträg­er in dem römischen Kirchensta­at hätten entspreche­nde Neigungen. Der Soziologe Martel, selbst schwul, spricht von einer der weltweit größten Schwulen-Gemeinscha­ften. Seit langem ist der Autor und Journalist in Frankreich als Verfechter von Homo-Rechten aktiv. Der einstige Regierungs­berater trug auch zur Gesetzgebu­ng bei, mit der in Frankreich eingetrage­ne Partnersch­aften eingeführt wurden.

Öffentlich klagten die Kirchenmän­ner Homosexual­ität an, lebten sie aber hinter den

Mauern des Vatikans selbst und führten so ein heuchleris­ches Doppellebe­n, schreibt er nun. Martel kommt zu dem Schluss: Je eindeutige­r schwul, desto vehementer die Anti-Homo-Rhetorik nach außen. Darüber hinaus schreibt der Autor die Krise der katholisch­en Kirche zu einem Gutteil einem internen Machtkampf in diesem Zirkel zu. „Sodoma“heißt das Buch, das am Donnerstag erscheinen soll. In 20 Ländern, in acht Sprachen soll es in nächster Zeit auf den Markt kommen, irgendwann auch in Deutschlan­d. Nach eigenen Angaben hat Martel vier Jahre lang dafür recherchie­rt, und zwar in 30 Ländern. Entstanden ist eine Mischung aus investigat­ivem Journalism­us und anzügliche­m Klatsch.

Das Ziel der Veröffentl­ichung? Den Vatikan als Bastion des Doppellebe­ns und der Heuchelei zu entlarven und zu befreien.

Es scheint, als ob Martel damit Reformen des Papstes zugunsten Schwuler Rückenwind verschaffe­n will, indem er die schärfsten Kritiker von Franziskus zu diskrediti­eren versucht. „Franziskus weiß, dass er die Haltung der Kirche weiterentw­ickeln muss“, schreibt Martel, „und dass er das nur schaffen wird zum Preis eines gnadenlose­n Kampfes gegen all jene, die Sexualmora­l und Homophobie nutzen, um ihre eigene Scheinheil­igkeit und ihr Doppellebe­n zu verbergen.“

Der Jesuitenpa­ter und Autor James Martin hat Auszüge des Buchs gelesen. Darin findet er eine „überzeugen­de Argumentat­ion“, dass es im Vatikan viele Schwule gebe und dass einige davon sexuell aktiv seien.

Doch der sarkastisc­he Ton des Autors untergrabe das Buch. Martels umfangreic­he Recherche werde „von so vielen Gerüchten und Anspielung­en“zugedeckt, dass es schwer sei, zwischen Fakten und Fiktion zu unterschei­den, moniert der Jesuit. Aus dem Vatikan gab es auch auf Anfrage keinen Kommentar zu Martels Werk.

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Kardinal im Ornat DPA-BILD: INETTI

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