Nordwest-Zeitung

PORTRÄT VON MOKRUSCH

Gespräch mit Bremerhave­ns Intendant Ulrich Mokrusch – =tadttheate­r behauptet sich

- VON REINHARD TSCHAPKE

KULTUR,

Cie kommunale Bühne wurde in den vergangene­n Jahren programmat­isch runderneue­rt. Prompt gab es Preise und Nominierun­gen. Und den Vertrag des Theaterlei­ters hat man um fünf Jahre verlängert.

BREMERHAVE­N – „Bestes Theaa ter abseits der Zentren!“Ist das wirklich eine Auszeicha nung oder eher eine Heraba würdigung? Ulrich Mokrusch lacht. Und nimmt es als Theaa terintenda­nt positiv: „Wir liea gen ja mit Bremerhave­n wirka lich jenseits der Zentren Bera lin, Hamburg oder München.“Und klar: Es ist eine Ehre, die da vom Branchenma­gazin „Die Deutsche Bühne“ausgea sprochen wurde.

Diese Ehre scheint redlich verdient. Das quirlige Stadta theater von Bremerhave­n kann sich sehen und hören lassen, hat einen Spielplan wie eine Metropolen­bühne, bietet Musicals, Opern, Opea retten, Schauspiel, Sinfoniea konzerte, Tanz und Niedera deutsches Theater. Kein Wuna der, dass die Stadtväter nun den Vertrag von Mokrusch um fünf Jahre verlängert haa ben. Der 55aJährige bleibt bis 2025 in der Hafenstadt.

Einführung auf Arabisch

Mokrusch hat die direkte norddeutsc­he Art lieben gea lernt. Er schätzt die Brüche und das Weltoffene der Stadt. Er genießt die Nähe zum Meer. Er hat eine Wohnung mit Meerblick. „Jeden Tag“, erzählt er, freue er sich über die frische Brise. Auch die Näa he lockt: Gleich um die Ecke des Theaters ist das Auswana dererhaus, unweit das Schiffa fahrtsmuse­um.

Helmut Lohner, frecher Schauspiel­er und langjährig­er Wiener Theaterdir­ektor, hat einmal gesagt, der Untera schied zwischen einem Theaa ter und einem Irrenhaus bea stünde darin, dass im Irrena haus der Direktor normal sei. Das aber stimmt nicht. Jedena falls nicht in diesem Fall: Theaterche­f Mokrusch hat, soweit man das beurteilen kann, eine schön normale Theaterbio­grafie. Nach einem Schauspiel­studium in Paris wirkte er am Rheinische­n Landesthea­ter Neuss, am Schauspiel Düsseldorf und in Bielefeld. Zwischendu­rch war er auch freier Regisseur, späa ter Stellvertr­eter des Generala intendante­n am Nationala theater Mannheim. Seit 2010 ist er in Bremerhave­n aktiv und hat das Theater gründlich geöffnet. Was das bedeutet?

Er hat sich nicht im Intena dantenkämm­erchen verkroa chen. Er hat in Turnhallen, Museen, im Amtsgerich­t oder verlassene­n Hotels spielen lassen. Hat mit dem Norda deutschen LLoyd ein Bremer Thema aufgegriff­en. Hat Fesa tivals gegründet, liebt „Crossa overaSache­n“, hat auch mal eine Einführung zur „Antigoa ne“auf Arabisch sprechen lasa sen.

Kostenlose Probenbesu­che gehen auf ihn zurück. Auf seia nem Spielplan stehen nicht nur Klassiker, er ist fast wild auf moderne Stoffe, hat glatt „Die Entdeckung der Langa samkeit“, einen dicken Roa man von Sten Nadolny, auf die Bühne stemmen lassen. 2011 gründete er das Jub, das Kindera und Jugendthea­ter. Dafür erhielt er den Innovaa tionspreis der IHK Bremerhaa ven. Das alles nennt man im magistrale­n Kulturdeze­rnatsa prech von Bremerhave­n „einen weithin sichtbaren Schritt in die Stadtgesel­lschaft hinein“.

Mokrusch ist stolz auf sein Theater, und wenn er einen herumführt durch sein weita läufiges Reich, einem die Jua gendstilaF­assade zeigt („Das Einzige, was nach dem Krieg vom Bau blieb und 1952 ins neue Gebäude integriert wura de“), dann kann er punkten. Zum Beispiel damit, dass alles unter einem Dach vereint ist und nichts ausgelager­t. Dass sein Haus technisch auf einem guten Stand ist. Und dass sein Großes Haus, merkt er lächelnd an, mit 685 Pläta zen größer ist als das Große Haus des Oldenburgi­schen Staatsthea­ters (577 Plätze).

Flug nach London

Er ist zufrieden und unrua hig. Eine gute Mischung. „Wir müssen den demografis­chen Wandel schaffen und mit knappen Mitteln was erreia chen.“Vieles, was früher selbstvers­tändlich war, gilt heute nicht mehr: Die anreia senden Besucherko­llektive werden weniger. Das Opereta tenpubliku­m nimmt ab. Und die Gruppe der Bildungsbü­ra ger ist in Bremerhave­n eher klein. Trotz aller Probleme: Sein Stadttheat­er wird gea schätzt. 2015 erhielt man den Theaterpre­is des Bundes. Die Inszenieru­ng der Kriminala oper „Der Untermiete­r“ist jetzt in der Kategorie „Wiedera entdeckung des Jahres“für den Internatio­nal Opera Award nominiert. Es sei das erste Mal, dass eine Produka tion des Stadttheat­ers Chana cen auf einen internatio­nalen Preis habe, sagt Mokrusch.

Die seltene Oper von Phila lys Tate feierte im Juni 2018 in Bremerhave­n ihre deutsche Erstauffüh­rung. Das Werk handelt von Jack the Ripper. Der Gewinner wird am 29. Apa ril in London ausgerufen. Moa krusch fliegt zur Gala hin, auch wenn er nicht viel Hoffa nung hat: „Eine Ehre ist es trotzdem“– für ein kleines großes Kommunalth­eater jena seits der Zentren.

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 ?? BILD: STADTTHEAT­ER ?? Mit markanter Jugendstil-Fassade: das Stadttheat­er in Bremerhave­n
BILD: STADTTHEAT­ER Mit markanter Jugendstil-Fassade: das Stadttheat­er in Bremerhave­n
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BILD: HEIKO SANDELMANN Szene aus Bremerhave­ner „Madama Butterfly“: Patrizia Häusermann (links) und Judith Kuhn

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