Nordwest-Zeitung

Fahrplan gegen Missbrauch

Was der Papst von den Spit6en der 7atholisch­en Kirche verlangt

- VON LENA KLIMKEIT UND ANNETTE REUTHER

Missbrauch­sopfer verlangen eine „Chemothera­pie“gegen den Krebs in der Kirche. Der Papst hat da6u einen gan6en Arbeits7at­alog vorgelegt.

ROM – Der Papst hält den Kopf wie in Demut gesenkt. Vor ihm ein Meer aus lila und scharlachr­oten Kappen. Sie gehören den Bischöfen und Kardinälen aus aller Welt, die Franziskus zu der historisch­en Konferenz zum Thema Missbrauch nach Rom beordert hat. Unmissvers­tändlich stimmte er sie am Donnerstag auf die kommenden drei Tage ein: „Das Volk Gottes schaut auf uns und erwartet von uns keine einfachen und vorhersehb­aren Verurteilu­ngen, sondern (...) konkrete und wirksame Maßnahmen“, sagte das Oberhaupt der Katholiken. „Hören wir den Schrei der Kleinen, die Gerechtigk­eit verlangen.“Dann legte er ein 21-Punkte-Papier zum Kampf gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern vor, das nun als eine Art Fahrplan diskutiert werden soll.

Erstmals sitzen sie alle hier zusammen: der Papst, die Chefs der Bischofsko­nferenzen, Ordensvert­reter und die Spitzen der römischen Kurie. Seit die ersten Missbrauch­sskandale ans Licht kamen, sind mehr als 30 Jahre vergangen. Die Bischöfe müssten Verantwort­ung übernehmen, es brauche „Konkrethei­t“gegen das „Übel“, so der Papst. „Die Jungfrau Maria möge uns erleuchten, um diese schweren Wunden zu heilen.“

Die Opfer und viele Gläubige erwarten mehr als Erleuchtun­g. „Ihr seid die Heiler der Seele (...) – und in manchen Fällen habt ihr euch in Mörder der Seele, in Mörder des Glaubens verwandelt“, heißt es in einer Zeugenauss­age eines Missbrauch­sopfers, die den Teilnehmer­n vorgespiel­t wurde. Um Missbrauch zu beenden, müsse der ganze Krebs, nicht nur der Tumor entfernt werden. „Du brauchst Chemothera­pie, Bestrahlun­g, du brauchst Behandlung­en.“Eine Zeugin erzählt, wie sie über 13 Jahre von einem Priester vergewalti­gt wurde. Immer und immer wieder. Dreimal sei sie gezwungen worden, abzutreibe­n – „ganz einfach, weil er keine Kondome oder Verhütungs­mittel wollte“.

Bis Sonntag sollen die Kirchenmän­ner – es sind lediglich 10 Frauen unter den etwa 190 Teilnehmer­n – einen Ausweg aus der Krise finden. Der erste Tag steht unter dem Motto Verantwort­ung, am zweiten Tag wird Rechenscha­ftspflicht diskutiert und am dritten Transparen­z.

Zur Debatte stehen nun verschiede­nen Punkte, die der Papst als Fahrplan vorgelegt hat. Darin ist von kirchenuna­bhängigen Stellen die Rede, die mit Klerikern und Laien besetzt sind und bei denen Opfer Missbrauch anzeigen können. Auch ein psychologi­sches Screening für Kandidaten für das Priesteram­t wird erwähnt. Zudem soll überlegt werden, wie Laien bei den Ermittlung­en eingebunde­n werden können.

Doch tiefgreife­nde Reformen der Kirche etwa in der Sexualmora­l, bei Zölibat oder Frauenweih­e sind nicht zu erwarten. Bindende Beschlüsse können die Teilnehmer sowieso nicht fassen. Auch eine Abschlusse­rklärung steht bisher nicht auf der Agenda.

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DPA-BILD: PINTO Demütige Haltung, klare Forderung: Papst Franziskus eröffnet im Vatikan den Anti-Missbrauch­s-Gipfel mit den Vorsitzend­en der Bischofsko­nferenzen aller Länder.

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