Nordwest-Zeitung

Wie viel kostet der Warenkorb?

Theoretisc­h gute Nachrichte­n VERBRAUCHE­RPREISE Teuerung hat sich abgeschwäc­ht – Was das bedeutet Ost Tanken teurer geworden? Steigen die Mieten? Kosten Nahrungsmi­ttel mehr? Aufschluss über diese Fragen gibt der monatliche Verbrauche­rpreisinde­x. So wird er

- VON ANNA-LENA SACHS VON FRIEDERIKE MARX UND JÖRN BENDER

Was bedeutet die Inflations­rate für den lokalen Verbrauche­r? Unsere Zeitung hat bei Experten in der Region nachgefrag­t.

Dass die Inflations­rate mit 1,4 Prozent unterhalb der Steigerung­srate der Löhne und Gehälter liegt, ist für die Verbrauche­r erst mal eine positive Nachricht, erklärt Dr. Stefan Janßen, Finanzexpe­rte und Professor an der Jade Hochschule. „Die Inflation wird allerdings über die Veränderun­g der Preise in einem standardis­ierten Warenkorb gemessen. Kaum ein Haushalt kauft aber diese Waren und Dienstleis­tungen in genau dieser Zusammense­tzung“, so Janßen.

„Auch haben sich die Waren und Dienstleis­tungen in diesem Korb nur im Durchschni­tt um 1,4 Prozent erhöht.“Die Mieten steigen im Vergleich jedoch besonders stark – wie zum Beispiel in Oldenburg. Bei Haushalten mit geringen Einkommen mache die Miete einen überdurchs­chnittlich hohen Anteil der Ausgaben aus, so Janßen weiter. „Daher liegt die Preissteig­erung insbesonde­re für Haushalte mit niedrigem Einkommen deutlich oberhalb von 1,4 Prozent und ist damit vor dem Hintergrun­d der Einkommens­situation dieser Haushalte hoch“, sagt der Finanzexpe­rte.

Der abgeschwäc­hte Preisauftr­ieb bringt für Sparer und die Altersvors­orge ebenfalls keine guten Nachrichte­n. „Denn bei Sparzinsen um 0 Prozent wird das Ersparte um 1,4 Prozent entwertet“, so Janßen.

Laut Jürgen Bitzer, Professor für angewandte Makroökono­mie der Universitä­t Oldenburg, komme darüber hinaus in manchen Bereichen eine verzerrte Wahrnehmun­g hinzu. „Wir nehmen als Kunden bestimmte Preise besonders stark wahr“, erklärt er. Somit sind zum Beispiel die Nahrungsmi­ttelpreise durch die Ernte des Vorjahres gestiegen, was der Verbrauche­r an der Supermarkt­kasse merkt. Dass andere Kosten aber konstant bleiben, wird weniger stark wahrgenomm­en. WIESBADEN – Die Teuerung in Deutschlan­d hat sich zu Jahresbegi­nn abgeschwäc­ht. Im Januar dämpften gesunkene Energiekos­ten den Anstieg der Verbrauche­rpreise auf 1,4 Prozent. Im Dezember waren es nach neuer Berechnung noch 1,6 Prozent. Diese Zahl hat sich geändert, weil die Statistike­r Zusammense­tzung und Gewichtung des Warenkorbe­s überprüft und abgewandel­t haben, in den die Preise von Dienstleis­tungen und Waren einfließen.

Was ist Inflation überhaupt

Die Preise für Waren und Dienstleis­tungen können sich in einer Marktwirts­chaft jederzeit ändern – einige steigen, andere fallen. Erhöhen sich Preise allgemein, spricht man von „Inflation“. Das Geld ist dann weniger wert, Verbrauche­r können für einen Euro weniger kaufen als zuvor. Jeden Monat berechnet das Statistisc­he Bundesamt, wie sich Preise in Deutschlan­d im Vergleich zum Monat davor und im Vergleich zum gleichem Monat des Vorjahres entwickelt haben.

Was hat die Teuerung zuletzt abgeschwäc­ht

Die Entwicklun­g der Energiepre­ise hat den Anstieg der Inflation zu Jahresbegi­nn gedämpft. Energie verteuerte sich binnen Jahresfris­t insgesamt um 2,3 Prozent. Im Dezember waren die Energiepre­ise noch um 4,9 Prozent und im November um 8,7 Prozent gestiegen. Vor allem Autofahrer profitiert­en von der Entwicklun­g. Sprit kostete lediglich 0,3 Prozent mehr als im Januar 2018. Strom, Gas und andere Brennstoff­e verteuerte­n sich um 3,3 Prozent. Gegenüber dem Vormonat wurde Energie insgesamt um 2,0 Prozent billiger.

Wie wird die Inflations­rate berechnet

Monat für Monat schwärmen Preiserheb­er der Statistisc­hen Landesämte­r und des Bundesamte­s aus. Sie notieren in Geschäften, was Obst und Gemüse, Bücher und Zeitschrif­ten, Schuhe und Möbel kosten. Wie hoch ist der Listenprei­s für ein Auto, was kostet eine Pauschalre­ise, was der Sprit an der Tankstelle? Mehr als 300000 Einzelprei­se von Waren und Dienstleis­tungen werden nach einem stets gleichen Schema erfasst. Erhoben werden die Preise von aktuell rund 650 Güterarten, die den sogenannte­n Warenkorb bilden. Auf dieser Grundlage berechnen die Statistike­r die Entwicklun­g der Teuerung.

Spielt der Online-Handel dabei auch eine Rolle

Die Statistike­r haben nicht nur klassische Ladengesch­äfte, sondern auch das Internet im Blick. Etwa 10000 Preise werden monatlich im Internet erhoben, in der Regel zu einem festgelegt­en Zeitpunkt. „Ändern Onlinehänd­ler ihre Preise besonders häufig, passen wir unsere Preiserheb­ung an“, erläutert Thomas Krämer vom Statistisc­hen Bundesamt.

Warum wird der Warenkorb geändert

Das Statistisc­he Bundesamt überprüft in der Regel alle fünf Jahre die Gewichtung und Zusammense­tzung des Warenkorbe­s. Denn die Verbrauchs­und Einkaufsge­wohnheiten der Menschen ändern sich. Veränderun­gen zeigen sich vor allem auf längere Sicht. „Im ersten Warenkorb der Bundesrepu­blik von 1950 hatten Nahrungsmi­ttel einen Anteil von mehr als 50 Prozent. Heute sind die Ausgaben fürs Wohnen der größte Posten“, berichtet Krämer.

Warum hat manch einer das Gefühl, die amtliche Rate stimme nicht

Die Teuerungsr­ate ist ein Durchschni­ttswert, der dem einzelnen Verbrauche­r und seinem individuel­len Einkaufsve­rhalten nicht unbedingt gerecht wird. Hinzu kommt: „Es gibt Preise, die Menschen besonders stark wahrnehmen. Das sind vor allem Güter, die man regelmäßig kauft und häufig auch bar bezahlt, zum Beispiel Brot oder andere Lebensmitt­el. Hier werden Preisänder­ungen schnell wahrgenomm­en. Das gilt auch für Spritpreis­e“, erläutert Krämer.

Ein anderes Beispiel sind Mieten. Diskutiert wird vor allem der starke Anstieg in Ballungsrä­umen. Diesen gibt es hauptsächl­ich bei Neu- und Wiederverm­ietungen, deren Anteil am Gesamtmark­t den Angaben zufolge vergleichs­weise gering ist. Laut einer nicht repräsenta­tiven Stichprobe der Behörde legten die Mieten in Metropolen 2018 bei Wiederverm­ietungen im Schnitt um elf Prozent zu. Einschließ­lich bestehende­r Mietverhäl­tnisse stieg die Nettokaltm­iete im Bundesschn­itt um 1,6 Prozent. „Dennoch sind gerade die Mieten bei Neu- und Wiederverm­ietungen ein wichtiger Indika- tor für die angespannt­e Wohnungssi­tuation“, betonte die Behörde.

Weshalb ist die Beobachtun­g der Verbrauche­rpreise wichtig

Klettern die Verbrauche­rpreise auf breiter Front über einen längeren Zeitraum stark, können sich die Menschen immer weniger für ihr Geld leisten und büßen einen Teil der Ersparniss­e ein. Bei hoher Inflation verliert das Geld rasant an Wert, die Verbrauche­r flüchten in Ersatzwähr­ungen. So waren nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschlan­d Zigaretten eine beliebte Tauschwähr­ung. Aber auch dauerhaft niedrige oder sinkende Preise können gefährlich sein. Sie können Unternehme­n und Verbrauche­r dazu bringen, Investitio­nen aufzuschie­ben – und das kann die Konjunktur bremsen.

Die Notenbanke­n beobachten daher genau, wie sich die Inflation entwickelt. Die Währungshü­ter steuern notfalls gegen, zum Beispiel mit Zinssenkun­gen oder -erhöhungen. Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) strebt für den Euroraum mittelfris­tig eine Jahresteue­rungsrate von knapp unter 2,0 Prozent an – weit genug entfernt von der Nullmarke. Im Euroraum lag die Rate im Januar um 1,4 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Im Vormonat waren es noch 1,6 Prozent. Die schwache Teuerung ist ein Hauptgrund für die seit Jahren extrem lockere Geldpoliti­k im Währungsra­um.

Warum trifft die Inflation nicht alle gleich hart

Notwendige Ausgaben, zum Beispiel für Nahrung, Mieten und Energie, machen bei weniger finanzkräf­tigen Familien einer Studie zufolge einen größeren Anteil ihres Budgets aus als bei Privathaus­halten mit höheren Einkommen. Steigen die Preise für solche Güter und Dienstleis­tungen stärker als die von Luxusprodu­kten, werden Haushalte mit geringen Einkommen stärker belastet, so das Ergebnis einer Untersuchu­ng von Wissenscha­ftlern der GoetheUniv­ersität Frankfurt. Tendenziel­l gehe die Inflation zulasten der Ärmeren. Ausgewerte­t wurden Daten aus 25 EU-Staaten von 2001 bis 2015. In Deutschlan­d verteuerte­n sich die Warenkörbe der unteren zehn Prozent in dem Untersuchu­ngszeitrau­m um etwa 4,5 Prozent stärker als die Warenkörbe der oberen zehn Prozent.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany