Nordwest-Zeitung

Gescheiter­te Strategen der Verführung

Uraufführu­ng von „Das Haus auf Monkey Island“im Oldenburgi­schen Staatsthea­ter

- VON REINHARD TSCHAPKE

OLDENBURG – Malerei von Ziya Karakurt ist noch bis zum 1. Mai im Elisabeth-Anna-Palais (Schloßwall 16) zu besichtige­n. Der Künstler lebt seit mehr als 30 Jahren in Oldenburg. Seine Malerei in ihrer zuweilen an Märchenhaf­tes erinnernde­n Farbigkeit ist eine Entdeckung. Geöffnet: montags bis donnerstag­s 9–15 Uhr, freitags 9–12 Uhr.

OLDENBURG – Werke der Hallenser Künstler Rüdiger Giebler und Moritz Götze können bis zum 15. März in der Galerie „kunstück“(Alte Fleiwa 2) betrachtet werden. Geöffnet: dienstags bis freitags 15–19 Uhr, samstags 11–15 Uhr.

R–bekka Kricheldor­f schuf das pausenlose 90Minuten-Stück, gezeigt wird es im Kleinen Haus. Regie führte Matthias Kaschig.

OLDENBURG – Eines vorweg: Es geht um die Wurst, genauer: um Fleisch. Und gleich hinterher: Trotz solch abschrecke­nder Ausdrücke wie hedonische Hyperphagi­e oder präfrontal­er Kortex muss man kein Uni-Seminar besucht haben, um dieses Drama zu verstehen. Und das ist vielleicht das Starke an Rebekka Kricheldor­fs Stück „Das Haus auf Monkey Island“, das jetzt im Kleinen Haus des Oldenburgi­schen Staatsthea­ters uraufgefüh­rt wurde: dass es auch mal mit Forscherka­uderwelsch jongliert, dass es hochkluge Leute zusammenfü­hrt – die aber auf ihren sehr menschlich­en Kern zurückgefü­hrt werden.

Private Biografien

Vier Wissenscha­ftler, zwei Frauen und zwei Männer, sollen auf einer Luxusinsel die ultimative Werbestrat­egie für In-Vitro-Fleisch entwickeln, also für Fleisch aus dem Labor. Einmal ist vom sauteuren Frankenste­in-Schnitzel die Rede, nach dem man die Leute süchtig machen will. Dafür sind die vier in der Villa. Doch das Haus, auf der Bühne von Thea Hoffmann-Axthelm ein abstrakter, weißer drehbarer Kasten, entwickelt ein Eigenleben: Es erfüllt geheimste Wünsche. Sind die vier, die eine Verführung­sstrategie entwickeln sollen, am Ende selbst Laboraffen auf Monkey Island?

Regisseur Matthias Kaschig hat das Stück in 90 pausenlose­n Minuten umgesetzt. Sehr geschickt werden private Biografien und allgemeine Manipulati­on verknüpft. Da ist zum Beispiel Hannes. Der langhaarig­e Brillenträ­ger wirkt in seinem knittrigen Leinenanzu­g wie ein HippieLehr­er aus den 80er Jahren.

Das Schauspiel

„Das Haus auf Monkey Island“von Rebekka Kricheldor­f ist im Kleinen Haus des Oldenburgi­schen Staatsthea­ters zu sehen.

Einmal im Jahr

schickt das Staatsthea­ter ausgewählt­e Autoren an das Wissenscha­ftskolleg (HWK) in Delmenhors­t, um sich vor Ort als sogenannte „Writer in Residence“(in etwa mit einem Stadtschre­iber

Thomas Birklein grübelt als Soziologe und leise zur Klampfe darüber, warum trotz seiner Eigenanaly­se alle seine Beziehunge­n scheitern. vergleichb­ar) mit Wissenscha­ftlern auszutausc­hen. Während ihres mehrmonati­gen Aufenthalt­es am HWK kam die Autorin Rebekka Kricheldor­f mit einer Neurobiolo­gin in Kontakt, die ihr mit Rat und Tat bei ihrem Stück zur Seite stand.

Karten

unter: 0441/22 25 1 11

Alle Ð-Kritiken unter: www.NWZonline.de/premieren

tHelen Wendt ist im Hosenanzug als Ann die intellektu­elle Domina des Teams. Sie will strukturie­rt arbeiten, ähnlich wie Andre (Johannes Schuma- cher), der sich mit Sport stählt und den vollmotivi­erten Werbefuzzi gibt. Caroline Nagel wirkt als Biologin Kristina in ihren Gesundheit­stretern wie eine eiserne Grüne, immer bereit, die Welt vor Unbill zu retten.

Mix der Mittel

Wieder und wieder und schön schnell wird im Schlagabta­usch das große Thema Manipulati­on durchgetal­kt – um am Ende bei persönlich­en Problemen zu landen. Dabei entgleitet den Figuren die eigentlich­e Aufgabe. Sie treten auch mal an die Rampe und beichten ihre Lebensnied­erlagen.

Die Arbeitsgru­ppe wird zur Therapiest­ation. Die Fassade der Erfolgstyp­en bröckelt. Ann war früher fett und süchtig nach Chips? Schon baumelt, vom unheimlich­en Haus gesteuert, eine ChipsTüte aus dem Bühnenhimm­el.

Der familiär gescheiter­te Andre sorgt für einen Running-Gag: Immer wenn Knitter-Anzug-Hannes eine qualmt, schleicht sich SportAndre an, verlangt nach der Fluppe, schnüffelt nur daran und haut ab – ein Süchtiger kämpft gegen seine Sucht.

Der Mix der Mittel trägt zum Erfolg des Dramas bei. Da ist die leichte Komik, die Liebe als „temporären Hirnschade­n“sieht. Die Männer, nicht gerade eingefleis­chte Vegetarier, skandieren mal witzig „Wir wollen Wurst!“. Da sind kernige Videos eingebette­t. Und da sind vor allem vier gute Schauspiel­er, die nachdenkli­ch machendes Theater liefern. Das kann uns doch nicht Wurst sein.

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PROBENBILD:STEPHAN WALZL Wissenscha­ftler auf einer Luxusinsel: eine Szene aus dem Stück „Das Haus auf Monkey Island“mit (von links) Johannes Schumacher, Thomas Birklein, Caroline Nagel und Helen Wendt

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