Von einem besonderen Gemeindehaus
–eike Löffel und Geeske Stolzenberger kennen jeden Winkel des Martin-Luther-Hauses in Dangastermoor
Die beiden Kirchenführerinnen wollen vor allem jungen Besuchern das Gotteshaus näher bringen. Und greifen dabei zu ungewöhnlichen Mitteln.
DANGASTERMOOR – Die Straße Zum Jadebusen. Einige Hundert Autos fahren tagtäglich auf ihr. An den Wochenenden, wenn die Ausflugsgäste nach Dangast strömen, ist sie sicher noch stärker frequentiert. Genau hier steht, von Varel aus gesehen kurz vor den Eisenbahnschienen und noch in Dangastermoor gelegen, ein besonderes Gebäude: das Martin-Luther-Haus mit seinem Glockenturm. Das Besondere: Hier treffen sich die Gemeindemitglieder nicht nur zu verschiedenen Aktivitäten, sondern feiern in einem großen Raum auch Gottesdienste.
„Die Grundsteinlegung war 1983 – das steht auch auf einem Stein neben dem Eingang“, sagt Meike Löffel. Die 54-Jährige ist Kirchenführerin – und seit 24 Jahren Küsterin in der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Varel. Ihr Mann Peter Löffel ist der Pfarrer in Dangastermoor. Gemeinsam mit Jugendlichen möchte sie das Haus näher erkunden. „Ich habe etwas gesucht, wo ich meine Ausbildung zur Spiel- und Theaterpädagogin mit der Kirche vereinbaren kann – das ist eine tolle Möglichkeit.“Ihre Kirchenführerkollegin Geeske Stolzenberger richtet ihr Augenmerk auf noch jüngere Teilnehmer, ihre Zielgruppe sind Kindergartenkinder.
„Früher war hier eine Knabenschule, zu der später auch Mädchen gingen“, erzählt Löffel. 1974 sei das Grundstück der Kirchengemeinde angeboten worden und schließlich für 70 000 Mark gekauft worden. „Es ist ein zentraler Ort – viele Urlauber kommen hier vorbei.“Doch erst Jahre später begann man mit dem Bau des Gemeindehauses. „Das war genau 500 Jahre nach der Geburt Martin Luthers“, erklärt Löffel auch den Namen. Schließlich, am 9. September 1984, wurde das Gotteshaus eingeweiht.
Mit Zollstock und Lampe
„Damals gab es den Glockenturm aber noch nicht, nur der Sockel stand bereits“, sagt Löffel. Zwei Jahre nach der Eröffnung sei dann die Glocke in der Gemeinde Sinn bei Gießen gegossen worden. „Halb Dangast ist damals mitgekommen“, erzählt Löffel. „Am Kranz gibt es auch einen Spruch, der von unten nicht so leicht zu erkennen ist“, sagt sie: „So bitten wir nun an Christen statt; lasst euch versöhnen mit Gott“stehe darauf. Der Guss bestehe zu 78 Prozent aus Kupfer und 22 Prozent aus Zinn und wiegt circa eine halbe Tonne. Auch der Stab mit Kreuz und Weltkugel ist aus Kupfer. Woher weiß die Kirchenführerin das „Mein Vater, Georg Sander, ist der Künstler – Kupfer spielt eine große Rolle.“Er habe auch das Taufbecken gestaltet – ebenfalls aus dem Metall.
Bereits von außen fallen die vielen Fenster auf. Betritt man das Haus, werden auch die hohen Decken ersichtlich. „Es ist ein helles, durchlässiges Haus“, sagt Löffel. Und noch eines fällt auf: Neben Stein, Kupfer und Glas ist Holz einer der beherrschenden Baustoffe. „Mit den Jugendlichen messe ich alles aus“, sagt Löffel und deutet auf Zollstock, Wasserwaage, Taschenlampe und auch Streichhölzer, die in einem Korb liegen. „Sie sollen das Haus selbst erkunden und das Gebäude so spielerisch kennenlernen.“
Das kleinste Fenster? „Befindet sich neben der Eingangstür.“Der höchste Punkt? „Ist 16,87 Meter hoch und liegt im Gottesdienstraum“, weiß die Kirchenführerin während sie den großen Raum mit der Fensterreihe hoch oben unter der spitzwinkeligen Decke betritt. In einem Regal rechts neben der Tür sind Gottesdienstbücher aufgereiht. Auf der linken Seite steht eine Orgel aus hellem Holz. Der Boden ist mit einem grün-grauem Filzteppich ausgelegt und der Altarbereich schlicht. Ein Farbklecks: Ein Wandbild, das das Lamm Gottes mit der Siegesfahne zeigt. „Das haben wir von einer Stiftung aus New York – das gleiche Bild hängt auch in der Love Lutheran Church East Greenbush“, so Löffel. „Das Bild ist ein Auferstehungssymbol, das bedeutet, dass das Leben über den Tod siegt.“
In dem Multifunktionsraum haben neben den Gottesdiensten auch Sitztanzkurse oder Seniorennachmittage Platz, sagt Löffel und bedient eine Kurbel an der hinteren Wand des Raums. Eine mobile Trennwand öffnet sich und lässt einen Blick auf den dahinterliegenden Raum zu: „Zu Konfirmationen oder an Weihnachten und Ostern wird bei den Gottesdiensten viel Platz gebraucht, dann sind hier rund 220 Besucher“, sagt Löffel.
Auch sonst ist der Raum architektonisch praktisch durchdacht: Direkt unter den Fenstern befinden sich Heizkörper mit Thermostaten. „So herrscht unter dem Dach eine gleichbleibende Temperatur und die Kälte kann nicht herunterfallen“, erklärt sie.
Persönliche Gegenstände
Auch der Rest des Gemeindehauses mit einem Aufenthaltsraum, einem Kaminzimmer, in dem ein Klavier steht, und einem offenen Tresenbereich wirkt warm und einladend. Überall sind Erinnerungen an ehemalige Konfirmanden zu sehen – kleine Kunstwerke wie Kreuze, eine mit Kerzen gestaltete Wurzel aus Zedernholz oder ein Wandteppich mit Fischen, auf dem einer in entgegengerichtete Richtung schwimmt.
Vor dem Altarbereich hat Geeske Stolzenberger eine Decke ausgebreitet und darauf graue Stoffmäuse um einen Mittelkreis platziert. In dem Kreis liegen bereits Sonnenstrahlen, Körner, Getreidehalme und auch kleine Karten mit Wörtern. Angelehnt an die Geschichte der Feldmaus Frederick, die für kalte, graue und lange Wintertage Sonnenstrahlen, Farben und Wörter sammelt – und sie am Ende teilt.
„Ich verteile die Gegenstände, lasse sie von den Kindern sammeln und sie so den Raum entdecken“, sagt die 29Jährige, die im benachbarten Kindergarten „St. Martin“arbeitet. „So lernen die Kinder die Grundstrukturen einer Kirche kennen und haben dabei ein spannendes und auch schönes Raumerlebnis.“Besonders dabei: „Die Wörter, die ich aufgeschrieben habe – Hoffnung, Liebe, Wärme, Glaube und Vertrauen – haben alle mit der Kirche und der Geschichte zu tun. Die Kinder fragen nämlich, was da draufsteht“, sagt sie lachend. „Alles muss logisch sein.“
Übrigens: Wie Meike Löffel hat auch Geeske Stolzenberger ihre Prüfung in der Vareler Schlosskirche absolviert – bei Michael Winkel, einem der Ausbildungsleiter. Aber: „Durch den Kindergarten ist das Gemeindehaus greifbarer und näher dran für die Kinder“, sagt sie. Und Löffel ergänzt: „Ich hatte mein Werkzeug und wusste, was ich machen kann. Und mit den Kindern erkunde ich das Gemeindehaus schon lange.“
Und bei den vielen Ecken und Winkeln in dem besonderen Gemeindehaus gibt es sicherlich noch lange viel Neues zu erkunden und zu vermessen.