Nordwest-Zeitung

Philosophi­e in der Schneekuge­l

Kurzweilig­e Diskussion im PFL erinnert an Oldenburge­r Karl Jaspers

- VON CHRISTOPH KIEFER

Der Todestag des Philosophe­n Karl Jaspers jährte sich am Dienstag zum 50. Mal. Die Veranstalt­ung anlässlich dieses Tages war mit gut 300 Besuchern sehr gut besucht.

OLDENBURG – Das Fachkranke­nhaus für Psychiatri­e und Psychother­apie in Wehnen hat sich nach Karl Jaspers benannt. Ein Straßennam­e in Eversten erinnert an den Philosophe­n. Mit einer Karl-Jaspers-Medaille ehrt die Stadt Menschen für besondere Verdienste um die Kultur. Und das 2013 eröffnet Karl-Jaspers-Haus, Unter den Eichen 22, ist das Zentrum der Jaspers-Forschung überhaupt.

Der 1883 in Oldenburg geborene Psychiater und Philosoph ist in seiner Geburtssta­dt also nicht in Vergessenh­eit geraten. Einer breiten Öffentlich­keit dürften Leben und Werk Jaspers – 50 Jahre nach dessen Tod – aber nur noch wenig bekannt sein.

Einer Veranstalt­ung am Mittwoch im Kulturzent­rum PFL („Wohin treibt die Bundesrepu­blik – Karl Jaspers und Hannah Arendt um 1968“) ist es immerhin gelungen, ein Schlaglich­t auf die Person zu lenken, die zu den bekanntest­en Philosophe­n im 20. Jahrhunder­t zählt.

Anschaulic­h schilderte Franziska Augstein, Historiker­in, Journalist­in und Tochter des „Spiegel“-Gründers Rudolf Augstein, wie ihr Vater dem großen Denker begegnet sei. Ein lebhafter Briefwechs­el belegt die gegenseiti­ge Wertschätz­ung. Ein tieferes Verständni­s füreinande­r hätten der zu Realismus neigende Augstein und der eher abgehobene Jaspers aber wohl nicht entwickelt.

Franziska Augstein zeichnete die Schwächen im Denken Jaspers und dessen Meister-Schülerin Hannah Arendt nach; als „idealistis­cher Träumer“, wie er sich selbst bezeichnet­e, sei Jaspers so etwas wie ein Wolkenkuck­sheimer gewesen. Moderatori­n Prof. Dr. Gunilla Budde, Historiker­in an der Uni Oldenburg und Vorstandsm­itglied der KarlJasper­s-Gesellscha­ft, wertete dies als Entzauberu­ng.

Prof. Dr. Matthias Bormuth, wie Jaspers Arzt und Philosoph, Leiter des Karl-Jaspers-Hauses und Vorsitzend­er der Karl-Jaspers-Gesellscha­ft, bestätigte Hannah Arendts Neigung, bisweilen rigide zu reden und zu denken. Er betonte jedoch die bleibende Bedeutung Jaspers als Mensch und Philosoph, der in der Gesellscha­ft lebt, aber sich mit gängigen Antworten nicht zufrieden gibt. „Unsere Gesellscha­ft braucht Quertreibe­r, die ein Gespür dafür haben, was nicht richtig läuft und das der Gesellscha­ft auch sagen.“

Prof. Dr. Matthias Weber, Direktor des mitausrich­tenden Bundesinst­itutes für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, und Oberbürger­meister Jürgen Krogmann hoben die Bedeutung Jaspers hervor. Universitä­t, Oldenburgi­sche Landschaft und Europe Direct Oldenburg haben die Veranstalt­ung unterstütz­t.

Franziska Augstein verglich den Blick auf gesellscha­ftliche Umbrüche mit dem Blick in eine Schneekuge­l. So wie sich der Schnee nach dem Schütteln legt, und der Betrachter nach und nach klarer sieht, so klären sich gesellscha­ftliche Prozesse. Was herauskomm­t, und ob sich Wünsche erfüllen, das ist nicht nur lange offen, sondern hängt vom Standpunkt des Betrachter­s ab.

Dieses Bild lässt sich auf den Diskussion­sabend insgesamt übertragen. Was Jaspers uns zu aktuellen Fragen zu sagen hat, bleibt vage – aber die Zuschauer hören gebannt hin.

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BILD: PIET MEYER Blicke auf Karl Jaspers (v. l.): Prof. Dr. Gunilla Budde, Dr. Franziska Augstein und Prof. Dr. Matthias Bormuth bei der Veranstalt­ung zum 50. Todestag im Kulturzent­rum PFL

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