Philosophie in der Schneekugel
Kurzweilige Diskussion im PFL erinnert an Oldenburger Karl Jaspers
Der Todestag des Philosophen Karl Jaspers jährte sich am Dienstag zum 50. Mal. Die Veranstaltung anlässlich dieses Tages war mit gut 300 Besuchern sehr gut besucht.
OLDENBURG – Das Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie in Wehnen hat sich nach Karl Jaspers benannt. Ein Straßenname in Eversten erinnert an den Philosophen. Mit einer Karl-Jaspers-Medaille ehrt die Stadt Menschen für besondere Verdienste um die Kultur. Und das 2013 eröffnet Karl-Jaspers-Haus, Unter den Eichen 22, ist das Zentrum der Jaspers-Forschung überhaupt.
Der 1883 in Oldenburg geborene Psychiater und Philosoph ist in seiner Geburtsstadt also nicht in Vergessenheit geraten. Einer breiten Öffentlichkeit dürften Leben und Werk Jaspers – 50 Jahre nach dessen Tod – aber nur noch wenig bekannt sein.
Einer Veranstaltung am Mittwoch im Kulturzentrum PFL („Wohin treibt die Bundesrepublik – Karl Jaspers und Hannah Arendt um 1968“) ist es immerhin gelungen, ein Schlaglicht auf die Person zu lenken, die zu den bekanntesten Philosophen im 20. Jahrhundert zählt.
Anschaulich schilderte Franziska Augstein, Historikerin, Journalistin und Tochter des „Spiegel“-Gründers Rudolf Augstein, wie ihr Vater dem großen Denker begegnet sei. Ein lebhafter Briefwechsel belegt die gegenseitige Wertschätzung. Ein tieferes Verständnis füreinander hätten der zu Realismus neigende Augstein und der eher abgehobene Jaspers aber wohl nicht entwickelt.
Franziska Augstein zeichnete die Schwächen im Denken Jaspers und dessen Meister-Schülerin Hannah Arendt nach; als „idealistischer Träumer“, wie er sich selbst bezeichnete, sei Jaspers so etwas wie ein Wolkenkucksheimer gewesen. Moderatorin Prof. Dr. Gunilla Budde, Historikerin an der Uni Oldenburg und Vorstandsmitglied der KarlJaspers-Gesellschaft, wertete dies als Entzauberung.
Prof. Dr. Matthias Bormuth, wie Jaspers Arzt und Philosoph, Leiter des Karl-Jaspers-Hauses und Vorsitzender der Karl-Jaspers-Gesellschaft, bestätigte Hannah Arendts Neigung, bisweilen rigide zu reden und zu denken. Er betonte jedoch die bleibende Bedeutung Jaspers als Mensch und Philosoph, der in der Gesellschaft lebt, aber sich mit gängigen Antworten nicht zufrieden gibt. „Unsere Gesellschaft braucht Quertreiber, die ein Gespür dafür haben, was nicht richtig läuft und das der Gesellschaft auch sagen.“
Prof. Dr. Matthias Weber, Direktor des mitausrichtenden Bundesinstitutes für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, und Oberbürgermeister Jürgen Krogmann hoben die Bedeutung Jaspers hervor. Universität, Oldenburgische Landschaft und Europe Direct Oldenburg haben die Veranstaltung unterstützt.
Franziska Augstein verglich den Blick auf gesellschaftliche Umbrüche mit dem Blick in eine Schneekugel. So wie sich der Schnee nach dem Schütteln legt, und der Betrachter nach und nach klarer sieht, so klären sich gesellschaftliche Prozesse. Was herauskommt, und ob sich Wünsche erfüllen, das ist nicht nur lange offen, sondern hängt vom Standpunkt des Betrachters ab.
Dieses Bild lässt sich auf den Diskussionsabend insgesamt übertragen. Was Jaspers uns zu aktuellen Fragen zu sagen hat, bleibt vage – aber die Zuschauer hören gebannt hin.