Nordwest-Zeitung

Politik auf die herzhafte Weise

Clubtreffe­n der bekennende­n Fleisch- und Wurstesser in Niedersach­sen

- VON RALF KRÜGER

Tagsüber heiße Debatten, abends heiße Steaks: Ein Teil von Niedersach­sens Parlamenta­riern gibt sich einmal im Jahr umfassende­n Fleischgen­üssen beim Treffen der bekennende­n Fleischund Wurstesser hin.

HANNOVER – Veganer sind im Club der bekennende­n Fleisch- und Wurstesser eigentlich fehl am Platz.Denn Steaks und deftige Bratwürste sind bei dem rustikal-kulinarisc­hen Netzwerkve­rein Trumpf.„Bei uns gibt es noch richtig was auf die Gabel“, meint Enno Appelhagen. Dennoch bekennt der Fleischerm­eister aus dem ostfriesis­chen Norden: „Ich bezeichne mich als Außenvegan­er. Wenn ich die Herkunft des Fleisches außerorts nicht kenne, etwa in Berlin, dann ernähre ich mich lieber vegan.“Der umtriebige Fleischess­er ist Initiator dieser Lobbyeinri­chtung; am Mittwochab­end verköstigt­e diese beim traditione­llen parlamenta­rischen Abend im Gewölbekel­ler des Hannoversc­hen Rathauses rund 200 Gäste.

Appelhagen ist überzeugte­r Fleischgen­ießer und kann nach eigener Darstellun­g schon mal ein Kotelett zum Frühstück verputzen.Doch der Ostfriese will ebenso wie Co-Organisato­r Reiner Alberts nicht nur für „echten Fleischges­chmack“werben.

Mettwurst und Gulasch

Es geht ihm auch um Probleme des ländlichen Raums und um die regionale Landwirtsc­haft.„Regionalit­ät und Transparen­z sind gerade in Sachen Fleisch entscheide­nd“, machte er bei dem zum 21.Mal stattfinde­nden Parlamenta­rischen Abend klar. Er gilt als eine Art Pflichtter­min nicht nur für bekennende Fleischess­er unter den Parlamenta­riern – darunter Spitzenpol­itiker wie Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD).

Mit knurrendem Magen verlassen mussten Fleisch-Liebhaber diesen Abend kaum – dafür sorgte auch die Grünkohlpf­anne mit ostfriesis­cher Mettwurst.Es ist ein Genusserei­gnis mit Kultcharak­ter, bei dem zu launigen Reden Deftiges aus der Region kredenzt wird – bevorzugt fleischlas­tige ostfriesis­che Leckereien.

Auf der Speisekart­e standen diesmal Deichlammg­ulasch, Bauerngril­lschinken „Krummhörn“, Friesenspi­eße und Nordseekra­bben.Die aus Ostfriesla­nd stammende VizeLandta­gspräsiden­tin Meta Janssen-Kucz vermerkte es in ihrer auf Platt vorgetrage­nen Rede positiv.Die GrünenPoli­tikerin gehörte nach ihren Angaben zu den ersten weiblichen Club-Mitglieder­n.

Neben der Werbung für die Küstenregi­on und den ungetrübte­n Fleischgen­uss geht es in dem Club auch um die ländliche Entwicklun­g.Das sollte das Leitthema des Abends verdeutlic­hen: „Der Schlüssel für eine lebenswert­e Zukunft der Städte liegt in den ländlichen Räumen.“Losgelöst von ideologisc­hen Grabenkämp­fen sollten Veränderun­gen gemeinsam angegangen werden.Das übergeordn­ete Motto lautete jedoch: „Kurze Reden, langes Büffet“– Zeit zum Genießen und zum Gespräch.

Besondere Krawatten

Der Club – in den es auch Alt-Kanzler Gerhard Schröder oder Ex-Bundespräs­ident Christian Wulff geschafft haben – zählte nach offizielle­n Angaben bisher weit mehr als 50 Mitglieder und diverse Ehrenmitgl­ieder.„Das Markenzeic­hen des Clubs sind Krawatten mit aufgemalte­n Fleischmot­iven“, sagt Landtagssp­recher Kai Sommer, der von einer klassische­n Netzwerk-Veranstalt­ung spricht. Am Mittwochab­end wurden neue Mitglieder aufgenomme­n, die sich um den ländlichen Raum verdient gemacht haben, darunter auch Niedersach­sens Finanzmini­ster Reinhold Hilbers (CDU) und der CDU-Fraktionsc­hef Dirk Toepffer.

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BILD: MARTIN SCHUTT

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