(nter Kontrolle bis über den Tod hinaus
A–tor und Dramaturg John von Düffel über den Modedesigner Karl Lagerfeld
Der 52-Jährige verfasste 2015 ein „fiktives Gespräch“mit Lagerfeld. Der Modezar (1933– 2019)star b vergangene Woche in <aris. Fast z=ei Jahre lang =ar von Düffel ihm auf der Spur.
FRAGE: Herr von Düffel, Sie haben 2015 Karl Lagerfeld in ein fiktives „Gespräch über die Unsterblichkeit“verwickelt. Wie haben Sie vom Tod des Modedesigners erfahren?
Die meisten Kollegen wissen, dass dieses Buch von mir existiert, und so wurde mir die Nachricht schnell zugetragen. Sie hat mich auf eine merkwürdige Art berührt und schockiert, da ich mir gar nicht vorstellen konnte, dass dieser Mann, der zu einem großen Bild von sich selbst wurde, auch den Naturgesetzen unterworfen ist. Und ich war traurig, weil ich mich in den fast zwei Jahren, in denen ich mich gedanklich mit ihm beschäftigt habe, an ihn als geistreichen Gesprächspartner quasi gewöhnt hatte. Die Stimme wird mir fehlen.
FRAGE: Wie ist es Ihnen gelungen, diese Stimme so exakt zu treffen?
Mich hatte im Vorfeld des Buches die Frage nach dem eigenen Bild beschäftigt und bei allen möglichen Philosophen nach Anknüpfungspunkten gesucht. Dann fiel mir im Wartezimmer beim Zahnarzt eine Illustrierte in die Hände, in der ein Gespräch mit Karl Lager- feld abgedruckt war. Es war eine derart pointierte Art des Redens, etwas, das man altmodisch Esprit nennen würde, dass ich dachte: Das ist ein Mensch, der zu dem Thema wirklich etwas zu erzählen hat. Die Vorbereitung auf das Buch war dann fast wie ein Rollenstudium im Theater, in dem man sich an eine Figur heranarbeitet.
FRAGE: Was hat Ihnen am meisten an Lagerfeld gefallen?
Bei aller Leichtigkeit des Redens war er so treffsicher, weil Lagerfeld ein sehr genauer Mensch war. Was ich faszinierend finde an dieser Figur, ist diese fast alt- modische Strenge, dieser Ausdruck von Disziplin und Selbstbeherrschung. Auf der anderen Seite war er aber auch ein sehr moderner Mensch, denn wer sich in einer so schnelllebigen Branche wie der Mode so lange halten kann, muss sehr genau den Zeitgeist spüren. Er war ein Modezeichner und Menschenzeichner mit bestechend scharfem Blick. FRAGE: In Ihrem Buch lassen Sie Lagerfeld sagen, er sei ein „Gigant an Disziplin“. Würden Sie etwas Ähnliches auch von sich selbst behaupten?
(lacht) Das Arbeitsethos von Lagerfeld finde ich sehr beeindruckend, aber auch erschreckend. Er war Teil seines Werkes, wenn nicht sogar sein Hauptwerk. Er lebte in seiner Arbeit und hat sich selbst erschaffen. Und je älter er wurde, desto strenger wurde er. Diese Struktur, aus der heraus er arbeitete, ist der Struktur, in der ich arbeite, irgendwo verwandt. Man kann ihn sich nicht zum Vorbild nehmen, aber auf der Disziplinebene ist er mir nahe.
FRAGE: Das bekannteste Bonmot Lagerfelds findet sich allerdings nicht in Ihrem Buch: „Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Le- ben verloren“.
Das ist einer dieser Sätze, die in die Ewigkeit eingehen werden. Ich durfte in dem Roman rein rechtlich keine Sätze verwenden, die definitiv von Karl Lagerfeld stammen, und musste mir den Jogginghosen-Satz verkneifen. Ich Nachhinein bin ich froh, denn er wird gerade totzitiert. Bei aller Treffsicherheit des Satzes aber fällt ein Wort besonders auf: Kontrolle. Die hatte Lagerfeld sehr stark über sich und sein Leben ausgeübt, bis über seinen Tod hinaus. Seine Verfügungen reichen bis zur Gestaltung der Schaufenster von Chanel nach seinem Ableben. FRAGE: Wie reagiert das Lesepublikum? Haben Sie davon etwas bemerkt?
Die Lesungen haben sich verändert. Früher wurde sehr viel gelacht, man schüttelte den Kopf über diese Figur. Nun spüre ich mehr Respekt und Anteilnahme. Es fühlt sich sehr anders an. Es geht in dem Buch ja auch viel um die Themen Tod, Krankheit, Schwäche und Ermüdung. Das hat jetzt ein ganz anderes Gewicht bekommen. FRAGE: Der dialogische Aufbau des Buches legt eine Weiterverwertung nahe, vielleicht als Theaterstück. Ist etwas geplant?
Schon vor ein, zwei Jahren hatte ich mit Radio Bremen ein Gespräch über eine Hörspielfassung. Damit ist es jetzt schlagartig ernst geworden. Es gibt auch Anfragen von Theatern, aber da ist noch nichts spruchreif. Und wenn es dazu beiträgt, Karl Lagerfeld ein bisschen unsterblicher zu machen, würde ich mich sehr freuen.