Publikum verliert sich in Meer aus Bach
Göttinger Barockorchester begeistert in voll besetztem Forum @t. Peter
OLDENBURG – Johann Sebastian Bach hat keine Oper geschrieben. Wer den Bassbariton Henryk Böhm im Forum St. Peter mit Kantaten-Arien des Thomaskantors hört, mag bedauern, dass der Größte auf diesem Terrain unbeackertes Brachland hinterlassen hat. Denn in drei Solokantaten entfaltet die Stimme opernhafte Wucht. Doch zugleich nimmt dieser Abend in der voll besetzten Kirche mit dem Göttinger Barockorchester unter Antonius Adamske auch für die Gegenposition ein. Bach ohne Oper. Ist das wirklich ein Mangel?
Diese Kantaten in Bachs Werke-Verzeichnis (BWV) 56 („Ich will den Kreuzstab gerne tragen“), 82 („Ich habe genug“) und 158 („Der Friede sei mit dir“) zielen auf den Tod ab und weisen den Weg auf die Hochebenen des Trostes. Gerade hier berühren die in Bachs Musik gekleideten Sprachbilder in einer Art, wie sie es ein dramatischer Bühnen-Ablauf nicht unbedingt vermag. Auch wer dem Evangelium keinen Glauben schenkt, dürfte sich von einem ungreifbaren Hintergrund gepackt fühlen. Da wird Bach zu einem beredten, modernen Komponisten.
Antonius Adamske, Böhm und die Instrumentalisten haben die Werke seit einer CDAufnahme vor zwei Jahren häufig gespielt. Da ist direkt zu spüren, wie dicht den Göttingern diese Zusammenstel- lung mit zwei kurzen Einleitungs-Sinfonien zu anderen Kantaten ans Herz gewachsen ist. Ebenso ausgeglichen wie zugespitzt treffen die flüssigen Tempi und der bewegliche Deklamationsstil inmitten dieser Todessehnsucht den Lebensnerv der Musik.
Lied- und Opernsänger Böhm führt seinen kernigen und wandlungsfähigen Bassbariton ohne Brüche und Nachdrücken durch alle Lagen. Über Versammlung und Gemessenheit hinaus artikuliert er die Beschwingtheit einer Zuversicht, in ein neues Leben aufgenommen zu werden.
Inmitten vieler Arien und Rezitative in Moll verströmt die Arie „Schlummert ein, ihr matten Augen“in Es-Dur ihre zeitlose Ruhe. Solistisch setzen Hans-Henning Vater an der Violine und Martin Jelev an der Oboe besondere Akzente. In BWV 158 fügt sich die Oldenburgerin Annette Pritschow (Sopran) in einer Choralpassage ein.
Antonius Adamske, vom Cembalo aus leitend, hat Heimspiel. Nach der Schulzeit im Ammerland hat er in Oldenburg seine erste Prüfung als Kirchenmusiker abgelegt. Inzwischen lebt er in Potsdam, leitet neben den Göttingern, Chören und Festivals neu den renommierten Hamburger Monteverdi-Chor.
Mit dem Bach-Programm treten die Göttinger Musiker noch am Freitag in Leipzig und am Wochenende in Dresden auf.