Nordwest-Zeitung

Kanadas Premier in Not

Weitere <inisterin tritt zurück – Anfang vom Ende für Justin Trudeau?

- VON LEVON SEVUNTS, CHRISTINA HORSTEN UND JOHANNES SCHMITT-TEGGE

Kanadas Premier Trudeau galt als Sonnyboy im politische­n Nordamerik­a und als wichtige Gegenstimm­e zu US-Präsident Donald Trump. Doch dann kam der Korruption­sskandal.

OTTAWA – Erst ging sein langjährig­er Freund, Chef-Sekretär und Berater Gerald Butts. Dann trat Veteranenm­inisterin Jody Wilson-Raybould zurück. Nun wirft die für Finanzen zuständige Jane Philpott das Handtuch: In der Korruption­sund Schmiergel­daffäre um mutmaßlich unterdrück­te Ermittlung­en gegen eine Ingenieurf­irma verliert Kanadas Premiermin­ister Justin Trudeau den Rückhalt in den eigenen Reihen. Sieben Monate vor den Wahlen erlebt der einst gefeierte Regierungs­chef seine bislang größte politische Krise.

Die Vorwürfe

Hintergrun­d sind Vorwürfe, dass Ermittlung­en WilsonRayb­oulds in ihrer Zeit als Justizmini­sterin gegen die Ingenieurf­irma SNC-Lavalin unterdrück­t wurden. Das Unternehme­n aus Montreal soll zwischen 2001 und 2011 Schmiergel­d in Höhe von umgerechne­t 31 Millionen Euro an die Familie des libyschen Machthaber­s Muammar alGaddafi gezahlt haben. Eram mittlern zufolge kam die Firma damit illegal an Aufträge in Höhe von umgerechne­t 88 Millionen Euro.

Seit Anfang 2015 geistert der Skandal in Kanada durch die Schlagzeil­en. Richtig in Fahrt kam das Thema mit der vernichten­den Aussage Wilson-Rayboulds in einem Parlaments­ausschuss vergangene Woche. Angehörige der Regierung hätten „konsequent und fortlaufen­d“und auch mit „verschleie­rten Drohungen“versucht, die Ermittlung­en zu behindern, sagte sie. Wilson-Raybould war im Januar auf den Posten der Veteranenm­inisterin abgeschobe­n worden und trat dann zurück.

Auch Jane Philpott bekam nun offenbar zu große Bauchschme­rzen. „Ein Grundsatz der Rechtsstaa­tlichkeit besagt, dass unsere Justizmini­sterin bei ihren Ermittlung­en von Strafsache­n keinem politische­n Druck oder Behinderun­gen ausgesetzt werden darf“, schrieb sie auf ihrer Webseite. Sie habe in der Affäre das Vertrauen in die Regierung verloren. Philpott, eine der mächtigste­n Frauen in Trudeaus Kabinett, reichte Montag (Ortszeit) ihren Rücktritt ein.

Für den 47-jährigen Trudeau, der jegliches Fehlverhal­ten in dem Skandal abgestritt­en hat, kommt die Krise angesichts der Unterhausw­ahlen im Oktober höchst ungelegen. Laut Umfrage vom Sonntag wird der Fall bei einem Viertel der Kanadier beeinfluss­en, wem sie ihre Stimme geben. Trudeaus Wiederwahl schien einst ausgemacht, nun ist er in der Defensive. Seine Umfragewer­te fallen stetig. „Kanadas Goldjunge verliert seinen Glanz“, urteilte das Magazin „Foreign Policy“.

Die Ermittlung­en

Die Ermittlung­en gegen SNC-Lavalin laufen noch. Im Fall eines Schuldspru­chs dürfte der Ingenieurs- und Bauriese mit weltweit 50000 Mitarbeite­rn über zehn Jahre bei keinen öffentlich­en Projekten L etwa bei Bergbau, Transport und Infrastruk­tur L mehr mitbieten.

Alle Augen richten sich nun auf Trudeaus EM-Sekretär Gerald Butts, der an diesem Mittwoch im Justizauss­chuss aussagen soll. Die beiden kennen sich seit Studientag­en, 2015 war Butts ein wichtiger Weggefährt­e in Trudeaus Wahlkampf. Der hatte nach Philpotts Rücktritt am Montag noch von „Meinungsve­rschiedenh­eiten“als wichtigem Aspekt einer Demokratie gesprochen. Opposition­sführer Andrew Scheer, der Trudeaus Rücktritt fordert, fand andere Worte und schrieb auf Twitter: „Justin Trudeaus Regierung steckt im Chaos.“

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DPA-BILD: DOYLE Streitet jegliches Fehlverhal­ten ab: Kanadas Premiermin­ister Justin Trudeau

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