Nordwest-Zeitung

Brinkhaus scheucht Union auf

Ein muslimisch­er Kanzler? – Wohlwollen und Kritik

- VON ANDREAS HERHOLZ, BÜRO BERLIN

BERLIN – Ein Muslim als Kanzler der Union? Für Fraktionsc­hef Ralph Brinkhaus ist das keine Utopie. Der CDU-Politiker kann sich dies in Zukunft vorstellen, hält es durchaus für möglich, wenn auch nicht schon bei der nächsten Bundestags­wahl, sondern erst in einem Jahrzehnt. „Warum denn nicht?“, sagte er in einem Interview mit einer evangelisc­hen Nachrichte­nagentur.

Allerdings gelte es, dafür bestimmte Bedingunge­n zu erfüllen. Der Kandidat oder die Kandidatin müsste vor allem zwei Voraussetz­ungen mitbringen: Ein guter Politiker sein und die Werte und politische­n Ansichten der Union vertreten, beschreibt Brinkhaus das Profil, das mögliche Bewerber haben sollten. „Für mich ist nicht entscheide­nd, welcher Religion ein Mensch angehört, sondern welche Werte er hat“, stellte der Unionsfrak­tionschef klar. Anders als die katholisch­e Kirche sei die CDU schließlic­h keine Religionsg­emeinschaf­t. Für jeden Kandidaten müsse gelten, dass unsere freiheitli­che Grundordnu­ng seinem persönlich­en Glauben vorgeht.

Der Widerspruc­h aus den eigenen Reihen lässt nicht lange auf sich warten, schließlic­h trägt die Partei das „C“im Namen, versteht sich als Christlich Demokratis­che Union. Brinkhaus löst mit seinem Vorstoß eine kontrovers­e Debatte aus, erntet Kritik aus der Union und bekommt ZuFür Nur mal so eine Idee: Ralph Brinkhaus

stimmung vom politische­n Gegner. Der Unionsfrak­tionschef habe mit seinen Äußerungen „eine unglücklic­he Schlagzeil­e produziert“, klagt Alexander Mitsch, Chef der konservati­ven Werteunion in der CDU. „Es wäre notwendig gewesen, gleichzeit­ig darauf hinzuweise­n, dass der politische Islam den Werten und Normen unserer europäisch­westlich und christlich geprägten Gesellscha­ft entgegenst­eht und deshalb keinen Einfluss in Deutschlan­d gewinnen darf“, erklärte der CDU-Politiker.

Beim Politische­n Aschermitt­woch der Schwesterp­artei CSU in Passau reagierte man wenig begeistert auf BrinkhausP Gedankensp­iele. „Das ist jetzt ganz bestimmt kein Thema“, hält Innenstaat­ssekretär Stephan Mayer wenig von der Idee. Zwar könne ein Muslim mit deutscher Staatsange­hörigkeit Kanzler werden, doch müsse man dies jetzt nicht thematisie­ren, kritisiert­e der Bundestags­abgeordnet­e seinen Fraktionsc­hef.

Brinkhaus ist klar, dass CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r die Union als Kanzlerkan­didatin in den Bundestags­wahlkampf 2021 führen wird, wenn sich Angela Merkel wie angekündig­t zurückzieh­en wird. Doch für die Zeit danach kann sich der Vorsitzend­e der Unionsfrak­tion ganz neue Optionen vorstellen.

Muslime sind für Brinkhaus in der C-Partei grundsätzl­ich willkommen. „In manchen Regionen gehört nur noch ein Bruchteil der Bevölkerun­g einer Kirche an. Deshalb sind auch Muslime, die unsere Werte teilen – die Würde des Menschen, Eigenveran­twortung, Solidaritä­t – und zum Grundgeset­z stehen, herzlich eingeladen in der CDU mitzumache­n“, wirbt der Fraktionsc­hef.

In den Sozialen Netzwerken gab es viel Zustimmung, aber auch Kritik und Empörung. Sawsan Chebli, SPDStaatss­ekretärin und Muslimin, lobte Brinkhaus ausdrückli­ch für seinen Vorstoß und seinen Mut. „Finde ich gut“, schrieb sie bei Twitter und bereitete den CDU-Mann schon einmal auf einen Sturm der Empörung im Internet vor. „Keine Angst vor der Hatern“, erklärte sie.

Ein muslimisch­er Kanzler mit CDU-Parteibuch? Wolfgang Bosbach hält dies für „rein theoretisc­h denkbar, aber praktisch sehr unwahrsche­inlich“, so der Innenexper­te. „Denn mir ist nicht bekannt, dass AKK, Friedrich Merz oder Jens Spahn beabsichti­gen, zum Islam überzutret­en.“

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DPA-BILD: NIETFELD

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