Nordwest-Zeitung

Politik ohne Witz

- VON SEBASTIAN FRIEDHOFF

Soziologe Prof. =r. Andreas Schelske >56?@ommunikati­onswissens­chaft und PRA von der Bade Hochschule spricht Cber die Relevanz des politische­n Aschermitt­wochs. Und Cber den Humor als @ommunikati­onsform.

FRAGE: „ie zeitgemäß ist der politische Aschermitt­woch noch? W s leistet der Humor? SCHELSKE: Der Tag steht in einer Tradition, die witzige und satirische Kommunikat­ionsformen als politische­s Statement pflegt. Einschaltq­uoten verweisen darauf, dass satirische Medienform­ate sehr zeitgemäß sind. Manche Rezipiente­n behaupten sogar, dass satirische Nachrichte­n informativ­er seien, weil sie die Tatsachen besser skizzieren. Die Wissenscha­ft und die Politik kommunizie­ren in der Regel ohne einen Witz, weshalb Gesellscha­ften sich einen sozialen Kontext schaffen, um über das zu sprechen, worüber im Ernst nicht gesprochen werden kann oder soll. Im Witz lassen sich Ängste, Tabus und Vorurteile ausspreche­n, um darüber zu lachen, dass es nicht wirklich wahr ist, was dort ausgesproc­hen wurde. Leider werden schlechte Witze mittels Unwahrheit­en oft über Minderheit­en gemacht – die sich kaum wehren können. Es könnte sein, dass es für den Nordwesten etwas unverständ­lich wirkt, wie wenig ernsthaft mit Minderheit­en umgegangen wird und wie viel Witz im Süden benötigt wird, um ungewohnte Dinge überhaupt anzusprech­en. FRAGE: Wie wichtig ist heut zut ge ein entspreche­nder Showeffekt für Politiker? SCHELSKE: Politik in der Netzwerkge­sellschaft muss ein Medienerei­gnis sein, um wahrgenomm­en zu werden. Erfolgreic­he Politiker versuchen gegenwärti­g eine Rolle einzunehme­n, die authentisc­h wirkt und in den computerun­terstützte­n Medien gut vernetzt ist. Nicht die Qualität der Show bestimmt den Erfolg, sondern mit der Qualität der Follower entscheide­t sich zunehmend eine Wahl. Eine Politik, die auf Vernunft setzt, hat sicher viele Vorzüge, aber wenn sich Bürger durch sie unwohl fühlen und nichts zu lachen haben, wird sie auf kurz oder lang scheitern. FRAGE: W s reizt Sie persön lich m politische­n Ascher mittwoch?

SCHELSKE: Als Protestant und Soziologe amüsiert er mich, weil dort Akteure sich selbst Fettnäpfen aufstellen, in die sie bei ungeschick­ter Formulieru­ng selbst hineintret­en. Der Witz des politische­n Aschermitt­wochs besteht deshalb darin, dass er selbst kein Witz ist, sondern politische Konsequenz­en impliziert und darüber lässt sich als Nordlicht trefflich lachen.

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BILD: BRITTA VON HEINTZE

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