Nordwest-Zeitung

Bissige Attacken, Witz und Häme

Traditione­ller politische­r Aschermitt­woch – Söder will Af=-Wähler zum Übertritt bekehren

- VeN ?ARCO HADEM UND CHRISTOPH TROST

Beim politische­n Aschermitt­woch will die CSU alte Fehler vermeiden, um unbedingt neue Ziele zu erreichen. Reicht das aus vor der Europawahl?

PASSAU/VILSHOFEN – In der CSU ist es längst eine bittere Erkenntnis: Die Europawahl­Pleite der Partei 2014 nahm beim politische­n Aschermitt­woch ihren Anfang. Als der damalige CSU-Vize Peter Gauweiler in seiner Rede die EU-Kommission als „Flaschenma­nnschaft“titulierte, damit die eigenen Anhänger zu Europakrit­ikern machte und – was für die CSU noch schlimmer ist – Wähler abschreckt­e. Der Rest ist Geschichte. 40,5 Prozent holte die CSU, ein katastroph­ales Minus von 7,6 Prozentpun­kten im Vergleich zu 2009.

„Zugegeben, vor der Europawahl 2014 haben wir uns sehr breit aufgestell­t“, gesteht an diesem Aschermitt­woch auch Markus Söder zu Beginn seiner Rede – seine erste als Parteichef – in der Passauer Dreiländer­halle ein. Er weiß, dass Europawahl­en für die so sehr auf Bayern fixierte CSU schon immer heikel waren.

Nachdem die Partei 2017 und im vergangene­n Jahr bei Bundestags- und Landtagswa­hlen aber bereits zwei überaus schmerzhaf­te Pleiten im Gepäck hat, ist die Ausgangsla­ge in diesem Jahr besonders schwierig.

Hinzu kommt, dass die Europawahl am 26. Mai für die CSU noch eine Besonderhe­it beinhaltet: Erstmals greift mit Parteivize Manfred Weber ein Bayer nach dem Posten des EU-Kommission­spräsident­en, will also frei nach Gauweiler Kapitän der „Flaschenma­nnschaft“werden. Ganz bewusst macht die CSU mit ihrer proeuropäi­schen Zuordnung die AfD zur einzigen eurokritis­chen Partei.

Keine Frage – die Gemengelag­e könnte für die CSU schwierige­r kaum sein. „Der Weg der CSU wird sich nicht in einigen Wochen oder Monaten erleichter­n. Man kommt schneller runter, als man raufkommt“, ruft Söder kämpferisc­h seinen Anhängern zu.

In Berlin droht der Großen Koalition das vorzeitige Aus wegen inhaltlich­er Streitigke­iten mit der SPD und wegen der sich abzeichnen­den Pleiten der Koalitions­partner bei der Europawahl. In Bayern und im Bund sitzen der CSU die Grünen und die AfD im Nacken, in Europa torpediert ausgerechn­et der über Jahre von der CSU hofierte ungarische Ministerpr­äsident Victor Orban mit eurokritis­chen Äußerungen den Wahlkampf der eigenen konservati­ven Parteienfa­milie.

Auch wenn Söder seit seiner Wahl zum Ministerpr­äsidenten deutlich ruhigere Töne anschlägt, zeigt er beim Aschermitt­woch, dass er die klare Kante noch nicht verlernt hat: „Kehrt zurück und lasst die Nazis alleine in der AfD. Es ist Zeit für einen Richtungsw­echsel“, ruft er Mitglieder­n und Anhängern der Rechtspopu­listen zu.

Auch wenn er Parteichef­in Andrea Nahles glaube, dass sie die Koalition verteidige­n wolle, bedrohten die Forderunge­n aus der SPD nach Grundrente, Mindestloh­n, Grundsteue­r und Hartz-IVAbschaff­ung die Zukunft der Koalition und den Wohlstand in Deutschlan­d, so Söder.

Noch mehr als Söder schaltet die CDU-Vorsitzend­e Annegret Kramp-Karrenbaue­r bei ihrem Auftritt in Demmin (Mecklenbur­g-Vorpommern) auf Attacke gegen die SPD. Etwa wegen deren restriktiv­er Linie bei Rüstungsex­porten. Wenn man sich für diese entschiede­n und dafür zudem Richtlinie­n festgelegt habe, „dann darf man auch nicht hintenheru­m versuchen, diese Richtlinie­n so auszulegen, dass im Grunde genommen Rüstungsex­porte nicht mehr möglich sind“, wettert AKK. „Oder man muss auch als Sozialdemo­krat das Rückgrat haben, sich dann vor die Arbeiterin­nen und Arbeiter hier in Wolgast oder in Bremen hinzustell­en und zu sagen: Ich habe eine politische Meinung, aber die kostet Euch Eure Arbeitsplä­tze. Das wäre dann offen und ehrlich, aber nicht das, was zur Zeit getrieben wird.“

Nur bei einem Thema lassen Söder und Weber den Klartext vermissen: Dem Konflikt in der EVP – und deren Spitzenkan­didat ist Weber – widmet keiner eine Silbe. Dabei könnte am 20. März der Vorstand der Europäisch­en Volksparte­i die ungarische Regierungs­partei wegen der Anti-Brüssel-Kampagne von Orban ausschließ­en.

Für die SPD-Spitzenkan­didatin zur Europawahl, Katarina Barley, ist dieses Schweigen ein Unding. Sie legt beim Aschermitt­woch der SPD in Vilshofen genüsslich den Finger in die Wunde: „Wer Viktor Orban so lange so hofiert hat, wie das die CSU getan hat, so jemand will kein funktionie­rendes Europa, das auf einem solidarisc­hen Geben und Nehmen beruht.“

Auch die eurokritis­che AfD nutzt die kampflos überlassen­e Flanke. Orban sei in der EVP, die längst „linke Politik“mache, nicht mehr zu Hause, sagte der AfD-Vorsitzend­e Jörg Meuthen und betonte: „Ich würde ihm den roten Teppich ausrollen.“

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DPA-BILD: KARMANN Prost in Vilshofen: Katarina Barley (links), Europawahl-Spitzenkan­didatin und Bundesjust­izminister­in, stößt am SPD-Stammtisch an.
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DPA-BILD: GOHLKE Prost in Demmin: CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r hebt das Glas in der Kleinstadt in Mecklenbur­g-Vorpommern.
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DPA-BILD: SCHULDT Prost in Dingolfing: Nicola Beer, Spitzenkan­didatin der FDP zur Europawahl, freut sich mit dem Bundestags­abgeordnet­en Daniel Föst.
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DPA-BILD: HASE Prost in München: Bester Laune waren die Grünen-Politikeri­nnen Katharina Schulze (von links), Henrike Hahn und Annalena Baerbock.

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