Nordwest-Zeitung

Vom Viehmarkt zum medialen Politspekt­akel

Politische­r Aschermitt­woch genießt lange Tradition – CSU nutzt Heimspiel zur Attacke

- VON CHRISTOPH TROST

PASSAU/VILSHOFEN – Den politische­n Aschermitt­woch in Niederbaye­rn verbinden noch immer viele mit Franz Josef Strauß. Kein Wunder, schließlic­h trat der CSU-Übervater zwischen 1953 bis zu seinem Tod 1988 insgesamt 35 Mal als Redner auf – als CSU-Generalsek­retär, Bundesmini­ster, Ministerpr­äsident, Parteivors­itzender, Kanzlerkan­didat.

Dabei hat der politische Aschermitt­woch eine viel längere Tradition – er wird in diesem Jahr 100 Jahre alt. Und die Geburtsstu­nde war auch nicht in Passau, wo die CSU inzwischen Jahr für Jahr zu Gast ist, sondern im niederbaye­rischen Vilshofen.

Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts hatten sich dort an diesem Tag die Bauern zum Viehmarkt getroffen. Dabei feilschten sie nicht nur um Tierpreise, sondern nahmen beim Bier auch die königlich-bayerische Regierung ins Visier. 1919 lud der bayerische Bauernbund anlässlich des Viehmarkts dann erstmals zu einer Kundgebung – das Politspekt­akel war geboren.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der politische Aschermitt­woch von der Bayernpart­ei belebt, die ihre Veranstalt­ung zu deftigen Angriffen auf die CSU nutzte. Die Christsozi­alen stiegen wenig später in die Tradition ein. Am 18. Februar 1953 lud die CSU zu ihrer ersten Aschermitt­wochs-Kundgebung: in den „Wolferstet­ter Keller“in Vilshofen. Strauß, damals CSUGeneral­sekretär, war einer der Redner.

Das Traditions­lokal war am Aschermitt­woch jahrelang die Heimat der CSU – aber am Ende so voll, dass die CSU 1975 nach Passau ausweichen musste, erst in die Nibelungen­halle, dann in die Dreiländer­halle.

Längst ist der politische Aschermitt­woch ein mediales Politspekt­akel, das keine Partei, die etwas auf sich hält, auslassen kann. Große und kleinere Parteien laden ihre Anhänger an diesem Tag ein – und das längst nicht mehr nur nach Niederbaye­rn.

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DPA-BILD: REEH 1980 tickten die Uhren in Bayern noch anders: CSU-Chef Franz Josef Strauß hält in Passau eine Rede.

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