Nordwest-Zeitung

Niedrigzin­s treibt Deutsche in Aktien

Rekordzahl an privaten Investoren seit 2007 – Indirekte Anlage über Fonds gefragt

- VON FRIEDERIKE MARX

Noch immer liegen riesige Beträge unverzinst auf Konten. Gibt es einen Mentalität­swandel?

FRANKFURT – Trotz der Börsenturb­ulenzen haben sich im vergangene­n Jahr wieder mehr Kleinanleg­er in Deutschlan­d an den Aktienmark­t getraut. Die Zahl der Aktionäre und Besitzer von Aktienfond­santeilen stieg im Jahresschn­itt um etwa 250000, wie das Deutsche Aktieninst­itut (DAI) am Mittwoch in Frankfurt mitteilte. Insgesamt besaßen rund 10,3 Millionen Bürger, die älter sind als 14 Jahre, Anteilssch­eine von Unternehme­n oder Aktienfond­s. „Damit erreicht die Zahl der Aktienbesi­tzer den höchsten Wert seit 2007“, erläuterte DAI-Chefin Christine Bortenläng­er.

Ein Grund für den Anstieg dürften die anhaltende­n Niedrigzin­sen sein. Klassische Sparformen werfen kaum noch etwas ab. Rund jeder sechste Bundesbürg­er war im vergangene­n Jahr in der einen oder anderen Form in Aktien investiert. Anleger interessie­rten sich vor allem für FondsAntei­le, die Zahl der Besitzer stieg um 617 000. Hier setzen meist auch die Banken in der Beratung an. Die Zahl der direkten Aktionäre sank zugleich um 373 000 auf gut 4,5 Millionen.

Trotz des vierten Anstiegs in Folge sind die Aktionärsz­ahlen von den Zeiten der Börseneuph­orie zu Beginn des neuen Jahrtausen­ds noch ein gutes Stück entfernt. 2001 gab es in Deutschlan­d fast 13 Millionen Aktionäre. Das Platzen der New-Economy-Blase am Neuen Markt verschreck­te jedoch viele Kleinanleg­er nachhaltig. Auch Ende 2018 waren die Kurse schwach. Blieben die Anleger engagiert?

Ob die Deutschen inzwischen auf dem Weg sind, ein Volk von Aktionären zu werden, bleibt nach Einschätzu­ng des DAI abzuwarten. Nach wie vor stehen bei den Menschen Bargeld und Einlagen bei Banken, zum Beispiel Giro-, Tagesgeldk­onten oder Festgeldko­nten, hoch im Kurs. Und das, obwohl Banken und Sparkassen – wenn überhaupt – nur noch spärliche Zinsen bieten. Unter dem Strich verlieren die Sparer bei steigender Inflation sogar Geld. Der Vorteil aus Sicht der Verbrauche­r: Bei Bedarf können die Bestände rasch umgeschich­tet werden.

Ende September 2018 steckten der Deutschen Bundesbank zufolge 2405 Milliarden Euro in Bankeinlag­en oder wurden als Bargeld aufbewahrt, 31,5 Milliarden kamen im dritten Quartal hinzu. Fast ebenso hoch auf der Beliebthei­tsskala der privaten Haushalte stehen Lebensvers­icherungen und andere Vorsorge fürs Alter.

Allerdings wurde mehr in Aktien investiert. Der Bundesbank zufolge stiegen die Aktienbest­ände und sonstige Anteilsrec­hte gegenüber dem zweiten Quartal auf den Gesamtwert von 643,8 Milliarden Euro (Vorquartal: 629,0 Mrd). Dazu kamen 595,7 (586,3) Milliarden Euro in Investment­fonds.

Zuversicht­lich stimmt das DAI, „dass der Aufwärtstr­end der vergangene­n Jahre alle Bevölkerun­gsgruppen erfasst hat und auch die jüngeren Jahrgänge stärker an Aktien interessie­rt sind“. Wer stärker auf Aktien und Aktienfond­s setze, erziele langfristi­g höhere Erträge und könne damit leichter für das Alter vorsorgen, warb das DAI.

Deutschlan­d hat im Vergleich zu anderen Industriel­ändern – wie USA oder Schweden – eine vergleichs­weise kleine Aktionärsq­uote.

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