Niedrigzins treibt Deutsche in Aktien
Rekordzahl an privaten Investoren seit 2007 – Indirekte Anlage über Fonds gefragt
Noch immer liegen riesige Beträge unverzinst auf Konten. Gibt es einen Mentalitätswandel?
FRANKFURT – Trotz der Börsenturbulenzen haben sich im vergangenen Jahr wieder mehr Kleinanleger in Deutschland an den Aktienmarkt getraut. Die Zahl der Aktionäre und Besitzer von Aktienfondsanteilen stieg im Jahresschnitt um etwa 250000, wie das Deutsche Aktieninstitut (DAI) am Mittwoch in Frankfurt mitteilte. Insgesamt besaßen rund 10,3 Millionen Bürger, die älter sind als 14 Jahre, Anteilsscheine von Unternehmen oder Aktienfonds. „Damit erreicht die Zahl der Aktienbesitzer den höchsten Wert seit 2007“, erläuterte DAI-Chefin Christine Bortenlänger.
Ein Grund für den Anstieg dürften die anhaltenden Niedrigzinsen sein. Klassische Sparformen werfen kaum noch etwas ab. Rund jeder sechste Bundesbürger war im vergangenen Jahr in der einen oder anderen Form in Aktien investiert. Anleger interessierten sich vor allem für FondsAnteile, die Zahl der Besitzer stieg um 617 000. Hier setzen meist auch die Banken in der Beratung an. Die Zahl der direkten Aktionäre sank zugleich um 373 000 auf gut 4,5 Millionen.
Trotz des vierten Anstiegs in Folge sind die Aktionärszahlen von den Zeiten der Börseneuphorie zu Beginn des neuen Jahrtausends noch ein gutes Stück entfernt. 2001 gab es in Deutschland fast 13 Millionen Aktionäre. Das Platzen der New-Economy-Blase am Neuen Markt verschreckte jedoch viele Kleinanleger nachhaltig. Auch Ende 2018 waren die Kurse schwach. Blieben die Anleger engagiert?
Ob die Deutschen inzwischen auf dem Weg sind, ein Volk von Aktionären zu werden, bleibt nach Einschätzung des DAI abzuwarten. Nach wie vor stehen bei den Menschen Bargeld und Einlagen bei Banken, zum Beispiel Giro-, Tagesgeldkonten oder Festgeldkonten, hoch im Kurs. Und das, obwohl Banken und Sparkassen – wenn überhaupt – nur noch spärliche Zinsen bieten. Unter dem Strich verlieren die Sparer bei steigender Inflation sogar Geld. Der Vorteil aus Sicht der Verbraucher: Bei Bedarf können die Bestände rasch umgeschichtet werden.
Ende September 2018 steckten der Deutschen Bundesbank zufolge 2405 Milliarden Euro in Bankeinlagen oder wurden als Bargeld aufbewahrt, 31,5 Milliarden kamen im dritten Quartal hinzu. Fast ebenso hoch auf der Beliebtheitsskala der privaten Haushalte stehen Lebensversicherungen und andere Vorsorge fürs Alter.
Allerdings wurde mehr in Aktien investiert. Der Bundesbank zufolge stiegen die Aktienbestände und sonstige Anteilsrechte gegenüber dem zweiten Quartal auf den Gesamtwert von 643,8 Milliarden Euro (Vorquartal: 629,0 Mrd). Dazu kamen 595,7 (586,3) Milliarden Euro in Investmentfonds.
Zuversichtlich stimmt das DAI, „dass der Aufwärtstrend der vergangenen Jahre alle Bevölkerungsgruppen erfasst hat und auch die jüngeren Jahrgänge stärker an Aktien interessiert sind“. Wer stärker auf Aktien und Aktienfonds setze, erziele langfristig höhere Erträge und könne damit leichter für das Alter vorsorgen, warb das DAI.
Deutschland hat im Vergleich zu anderen Industrieländern – wie USA oder Schweden – eine vergleichsweise kleine Aktionärsquote.