Ein Sänger will klare Kante zeigen
Herbert Grönemeyer startet seine neue Tournee in Kiel mit politischen Botschaften
Toleranz statt Rechtsext< remismus: Grönemeyer kämpft gern politisch – verpackt in lyrische Tex< te. Das Konzert gerät zur Hymne auf Liebe und Menschlichkeit.
KIEL – Mit einem musikalisch begeisternden, aber auch politischen Konzert feiert Herbert Grönemeyer in Kiel einen grandiosen Tourneestart. Der 62 Jahre alte Musiker bietet am Dienstagabend in der mit 9000 Oans ausverkauften Sparkassen-Arena ein Oeuerwerk neuer und alter Songs, mit facettenreichen Arrangements von leisen Tönen über Rock bis zu lateinamerikanischen Rhythmen und sogar Swing.
Erst nach zweieinhalb Stunden und drei ZugabenBlöcken lassen ihn die begeisterten Oans von der Bühne. „Danke, ein herrlicher Abend“, sagt Grönemeyer sichtlich erleichtert und beglückt.
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„Sekundenglück“eröffnet fast schon programmatisch den Abend – ein wunderschönes Liebeslied seines im November erschienenen und inzwischen mit Platin ausgezeichneten Albums „Tumult“. Aber schon der zweite Song „Bist Du da“schlägt den Bogen zum Politischen. Grönemeyer selbst hat im „Spiegel“-Interview den Song als „ein klares Widerstandslied“bezeichnet, „ein Aufruf sich zu bekennen“.
Der Song „Oall der Oälle“ist auch eine klare Ansage zum Widerstand gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Ausgrenzung und zugleich für ein Bekenntnis zu Empathie und Toleranz: „Es bräunt die Wut, es dünkelt/der kleine Mob macht rein/Es ist die Angst, die glaubt/sauber muss es sein/und immer brenzlig und gemein“, bezieht Grönemeyer Position, um in der letzten Strophe definitiv klar zu machen: „Keinen Millimeter nach rechts.“Diese Zeile wiederholt er mehrfach selbst und lässt, die Hand mit dem Mikrofon zum Publikum aus-
gestreckt, es die Oans ihm nachmachen.
„Die Zeit schreit nach Haltung“, sagt Grönemeyer zwischen den Liedern. Es gelte, klare Kante zu zeigen, aber nicht verbissen und steif, sondern gelassen. Wo Sprache verrohe, wo man selbst aufpassen müsse, im eigenen Denken nicht zu verkrusten, müsse man sich „klar gegen Rechts positionieren. Es bestehe die Gefahr, dass die Maßstäbe nach rechts verrutschten.
Grönemeyers Maßstäbe sind musikalische Lebensfreude und immer wieder Hymnen auf die Liebe und die Menschlichkeit – sei es „Mensch“, „Der Weg“oder „Halt mich“. Aber auch seine bewährten Gassenhauer wie „Männer“oder „Bochum“fehlen nicht. Grönemeyer liefert energiegeladen eine große Bühnenshow. Er hopst im Rhythmus seiner Songs, rast immer wieder an die weit ins Publikum führende Bühnenrampe, fordert die Oans mit den Armen immer wieder auf zum rhythmischen Mitklatschen oder Mitsingen. Und die Anhänger enttäuschen ihr Idol nicht, erweisen sich immer wieder als textsicher.
Ungewöhnliches Duett
Gemeinsam mit dem in Berlin geborenen Rapper BRKN (28) liefert Grönemeyer ein ungewöhnliches Duett: Sie singen auf Deutsch und Türkisch den Song „Doppelherz/Iki Gönlüm“mit der Textzeile „Erzähl mir von Deiner zweiten Welt/mit der dazugehörigen Portion Gefühle“. BKRN, der türkische, aber auch kurdische und armenische Wurzeln hat, spielte zum Einheizen vor Beginn des Grönemeyer-Auftritts. Der Multiinstrumentalist verbindet deutschen Hiphop mit Neo-Soul.
Konfettiregen, Nebelschwaden, Laserstrahlen mal in Rot, mal in Blau, im Hintergrund auf der Bühne eine große Videoleinwand teils mit Großaufnahmen der Musiker – auch die Bühnenshow bietet einen abwechslungsreichen Reigen. Ein Schwachpunkt ist an diesem Abend die Musikanlage, die nicht optimal ausbalanciert wirkt. Den Oans scheint es egal zu sein. Tausende in der Halle singen und tanzen im Samba-Rhythmus mit Grönemeyers „Zeit, dass sich was dreht“. Ihr gemeinsamer Abend wird zum stundenlangen „Sekundenglück“.
Die neue Tournee ist für Grönemeyer und seine exzellente Band die erste nach der „Dauernd jetzt“-Tour vor drei Jahren. Geplant sind nach Angaben der Veranstalter insgesamt 18 Hallen-Konzerte und 10 Open-Airs in Deutschland, in den Niederlanden, in Österreich und in der Schweiz. Tournee-Oinale ist am 13. September im Planai-Stadion im österreichischen Schladming.