Ein Symbol
I ch muss gestehen: Die meisten Jahre meines bislang 33jährigen Lebens ist der Weltfrauentag sang- und klanglos an mir vorbeigezogen. Dass dem so ist, hängt aber vermutlich genau damit zusammen, dass es diesen Tag gibt. Denn gerade weil vorangegangene Generationen für eine gleichberechtigte Welt gekämpft haben, konnte ich in einer solchen aufwachsen. Es ist ähnlich wie mit der Demokratie oder einem Bündnis wie der Europäischen Union: Menschen sind sich heute nicht unbedingt darüber bewusst, was schon erreicht worden ist, weil diese Errungenschaften so selbstverständlich für sie sind. Weil sie es nicht (mehr) anders kennen. Dass Frauen mal in keinem europäischen Land wählen durften? Unvorstellbar für mich! Dass Frauen bis 1962 ohne Zustimmung des Mannes kein eigenes Bankkonto eröffnen durften? Völlig abstrus! Dass die Vergewaltigung in der Ehe erst seit dem 1. Juli 1997 per Gesetz eine Straftat darstellt? Macht mich fassungslos!
Es ist entsetzlich, dass es Orte auf dieser Welt gibt, in denen für Frauen Rechte wie etwa die sexuelle Selbstbestimmung – Rechte, die als so selbstverständlich gelten sollten, dass man nicht mal darüber reden müsste – eben nicht als selbstverständlich gelten. Hierzulande ist der Kampf um die Gleichberechtigung indes bei den Themen Karriere und Lohngleichheit angekommen. Denn auch, wenn sich Frauen heutzutage frei entscheiden können, ob sie Feuerwehrfrau, Krankenschwester, Mechatronikerin oder was auch immer werden möchten: In der Europäischen Union sind Frauen in Führungspositionen nach wie vor deutlich unterrepräsentiert, obwohl etwa die Hälfte aller Erwerbstätigen weiblich ist. Die obersten Führungsriegen in mittelständischen deutschen Firmen sind einer Umfrage der Wirtschaftsprüfgesellschaft Ernst & Young zufolge nach wie vor männlich dominiert: Nur etwa 17,1 Prozent der Mitglieder in Geschäftsführungen sind Frauen. Das ist nicht nur traurig, sondern auch eine vertane Chance. Den Weltfrauentag sollte man daher unbedingt als Symbol für die generelle Gleichberechtigung der Geschlechter verstehen. Und nicht als einen einzigen, ultimativen „Frauen-sind-toll-Tag“im Jahr.
@Die Autorin erreichen Sie unter