Nordwest-Zeitung

Ausgeträum­t

- VON ANDREAS HERHOLZ, BÜRO BERLIN

Es sollte eine große politische und gesellscha­ftliche Kraft werden, ein Bündnis, das die Linke in Deutschlan­d eint und über kurz oder lang auch zu parlamenta­rischen Mehrheiten führt – mögen die Initiatore­n auch nicht müde werden, dies zu bestreiten. Jetzt tritt die Gallionsfi­gur der Sammlungsb­ewegung „Aufstehen“ab, zieht sich Linken-Fraktionsc­hefin Sahra Wagenknech­t zurück.

Ihre Begründung klingt wenig überzeugen­d. Die Basis soll es richten, die Parteipoli­tiker sollten sich zurücknehm­en. Wagenknech­t und ihr Gatte Oskar Lafontaine sind mit ihrem Projekt gescheiter­t, bevor es eigentlich richtig losging. Der Traum von einer vereinigte­n starken Linken ist erst einmal ausgeträum­t. Weder in der SPD noch bei der eigenen Linksparte­i und schon gar nicht bei den aufstreben­den Grünen stießen sie mit ihrer Idee, linke Kräfte in einem übergreife­nden Bündnis zu versammeln, ähnlich wie in Frankreich oder Italien, auf Begeisteru­ng. Sie haben sich nicht „eingemauer­t“, wie Wagenknech­t jetzt beklagt. Sie sind einfach nicht überzeugt von diesem Projekt. Der große Run auf „Aufstehen“blieb aus. 170 000 Klicks im Internet sind noch längst keine 170 000 Unterstütz­er und Wagenknech­t und Lafontaine keine Integratio­nsfiguren, im Gegenteil.

Die Linken-Fraktionsc­hefin zieht nun die Reißleine, hat erkannt, dass die Aufstehen-Bewegung keine Fahrt aufnimmt. Die Idee, eine neue erfolgreic­he Linke aufzubauen oder das Bündnis zumindest als Druckmitte­l im parteiinte­rnen Machtkampf zu nutzen, hat sich nicht durchgeset­zt. In der Linksparte­i werden Wagenknech­ts Gegner jetzt aufatmen. Doch auf die schillernd­e Fraktionsc­hefin um des lieben Friedens willen in Zukunft zu verzichten, sie ins Abseits zu stellen, wäre für die Linke auch kein Erfolgsmod­ell.

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