Bloß nichts Beliebiges mehr
Viele Besucher am Wochenende in den Werkstätten und Ateliers
Stadtweit öffneten Kreative ihre Arbeitsstätten. Wer mochte, konnte da sogar selbst Hand anlegen und töpfern.
OLDENBURG – Rasant dreht sich die Scheibe, doch Frauke Abel hat hier alles unter Kontrolle. Vor den Augen mehrerer Besucher formt sie hier zügig einen Krug, den sie kurz darauf beschichtet, bemalt und durch Ritztechniken verziert. Später wird der Krug gebrannt, glasiert und ein zweites Mal bei 1175 Grad in den Brennofen geschoben. Wie aufwendig und schwierig das Keramikhandwerk tatsächlich ist, erklärt die gelernte Keramikerin im Rahmen des 14. „Tages der offenen Töpferei“.
Brenntechniken, die Unterschiede der Dreh- und Aufbautechnik, aber auch, wie und wo man selbst dieses Handwerks mächtig werden kann – all das erläutert Abel mit aller Ruhe. Damit auch die Gäste ein Gefühl für ihre Arbeit bekommen, hat die Keramikerin bereits einige Becher vorgefertigt, die die Besucher selber mit Ritzverfahren dekorieren dürfen. Abel erzählt dabei von ihrem Werdegang, ihrer Ausbildung, Studienfragen und die zwei Jahre währende Wanderschaft durch verschiedene Werkstätten. Seit fünf Jahren hat sie nun ihren eigenen Laden im Ziegelhofviertel in der ehemaligen Bäckerei Addicks, die vielen Oldenburgern noch ein Begriff ist.
Gleich mehrere Töpfereien öffneten an diesem Wochenende ihre Türen und Tore, Ateliers und Keramikwerkstätten lockten Stammgäste, aber auch jene, die sonst vielleicht nicht kommen. Unter dem Motto „Schauen, anfassen, staunen“ließen sich die Gastgeber über die Schultern und auf ihren Arbeitsplatz blicken.
In der Werkschule beispielsweise präsentieren gleich sechs Keramiker öffentlich ihre „Lieblingsmomente“, so das Thema, und zeigen dem Publikum unterschiedlichste keramische Arbeitstechniken. Veranstalter Curt Lehmann nutzt die Möglichkeit, mit Kollegen gemeinsam zu arbeiten.
„In der Keramik gibt es ein Gemeinschaftsgefühl“, weiß er zu berichten, „und genau dieses Gefühl wollen wir heute transparent machen“. Wie der Keramiker und Bildhauer möchten auch viele andere Teilnehmer deutschlandweit Interesse wecken. So etwas funktioniert bestenfalls über Vielfalt. Also wird vor Ort möglichst viel kombiniert, experimentiert und ausgetauscht.
Einer der geladenen Keramiker ist Job Heykamp aus den Niederlanden, der von den anwesenden Kollegen sehr für seine Kreativität geschätzt wird, wie es hier heißt. Heykamp erzählt den Besuchern von seiner Ideenfindung und seinen Inspirationen, seinen Arbeitstechniken und über die Niederlande. Unter den Zuhörern ist auch Sigrid Ziethe, die bisher nur in Reha-Maßnahmen mit Keramik gearbeitet habe, aber mehr darüber erfahren möchte und den Tag der offenen Töpferei deshalb als Chance sieht, „direkt mit Künstlern ins Gespräch zu kommen und von ihnen zu lernen“.
Auch Tuha Herbst ist wegen der verschiedenen Künstler zu Besuch. „Keramik wird künstlerisch unterbewertet“, sagt der Oldenburger, der selber lange Raku-Keramik gemacht hat. „Künstler sehen das Töpfern oft als Handwerk und nicht als Kunst“.
Curt Lehmann ist aber guter Dinge, sieht die Zukunft der Keramik durchaus positiv: „Es ist eine gute Zeit für Keramik, weil der Trend wieder zur Individualität geht. Die Leute wollen nicht mehr Beliebiges“.