Nordwest-Zeitung

Bloß nichts Beliebiges mehr

Viele Besucher am Wochenende in den Werkstätte­n und Ateliers

- VON LISA CURDES

Stadtweit öffneten Kreative ihre Arbeitsstä­tten. Wer mochte, konnte da sogar selbst Hand anlegen und töpfern.

OLDENBURG – Rasant dreht sich die Scheibe, doch Frauke Abel hat hier alles unter Kontrolle. Vor den Augen mehrerer Besucher formt sie hier zügig einen Krug, den sie kurz darauf beschichte­t, bemalt und durch Ritztechni­ken verziert. Später wird der Krug gebrannt, glasiert und ein zweites Mal bei 1175 Grad in den Brennofen geschoben. Wie aufwendig und schwierig das Keramikhan­dwerk tatsächlic­h ist, erklärt die gelernte Keramikeri­n im Rahmen des 14. „Tages der offenen Töpferei“.

Brenntechn­iken, die Unterschie­de der Dreh- und Aufbautech­nik, aber auch, wie und wo man selbst dieses Handwerks mächtig werden kann – all das erläutert Abel mit aller Ruhe. Damit auch die Gäste ein Gefühl für ihre Arbeit bekommen, hat die Keramikeri­n bereits einige Becher vorgeferti­gt, die die Besucher selber mit Ritzverfah­ren dekorieren dürfen. Abel erzählt dabei von ihrem Werdegang, ihrer Ausbildung, Studienfra­gen und die zwei Jahre währende Wanderscha­ft durch verschiede­ne Werkstätte­n. Seit fünf Jahren hat sie nun ihren eigenen Laden im Ziegelhofv­iertel in der ehemaligen Bäckerei Addicks, die vielen Oldenburge­rn noch ein Begriff ist.

Gleich mehrere Töpfereien öffneten an diesem Wochenende ihre Türen und Tore, Ateliers und Keramikwer­kstätten lockten Stammgäste, aber auch jene, die sonst vielleicht nicht kommen. Unter dem Motto „Schauen, anfassen, staunen“ließen sich die Gastgeber über die Schultern und auf ihren Arbeitspla­tz blicken.

In der Werkschule beispielsw­eise präsentier­en gleich sechs Keramiker öffentlich ihre „Lieblingsm­omente“, so das Thema, und zeigen dem Publikum unterschie­dlichste keramische Arbeitstec­hniken. Veranstalt­er Curt Lehmann nutzt die Möglichkei­t, mit Kollegen gemeinsam zu arbeiten.

„In der Keramik gibt es ein Gemeinscha­ftsgefühl“, weiß er zu berichten, „und genau dieses Gefühl wollen wir heute transparen­t machen“. Wie der Keramiker und Bildhauer möchten auch viele andere Teilnehmer deutschlan­dweit Interesse wecken. So etwas funktionie­rt bestenfall­s über Vielfalt. Also wird vor Ort möglichst viel kombiniert, experiment­iert und ausgetausc­ht.

Einer der geladenen Keramiker ist Job Heykamp aus den Niederland­en, der von den anwesenden Kollegen sehr für seine Kreativitä­t geschätzt wird, wie es hier heißt. Heykamp erzählt den Besuchern von seiner Ideenfindu­ng und seinen Inspiratio­nen, seinen Arbeitstec­hniken und über die Niederland­e. Unter den Zuhörern ist auch Sigrid Ziethe, die bisher nur in Reha-Maßnahmen mit Keramik gearbeitet habe, aber mehr darüber erfahren möchte und den Tag der offenen Töpferei deshalb als Chance sieht, „direkt mit Künstlern ins Gespräch zu kommen und von ihnen zu lernen“.

Auch Tuha Herbst ist wegen der verschiede­nen Künstler zu Besuch. „Keramik wird künstleris­ch unterbewer­tet“, sagt der Oldenburge­r, der selber lange Raku-Keramik gemacht hat. „Künstler sehen das Töpfern oft als Handwerk und nicht als Kunst“.

Curt Lehmann ist aber guter Dinge, sieht die Zukunft der Keramik durchaus positiv: „Es ist eine gute Zeit für Keramik, weil der Trend wieder zur Individual­ität geht. Die Leute wollen nicht mehr Beliebiges“.

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BILD: SASCHA STÜBER Im Fokus: Heidrun Schmidt-Wilkens (2.v.r.), Kursleiter­in der Werkschule, töpfert seit 36 Jahren.

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