Nordwest-Zeitung

Din Leitfaden gegen Missbrauch

So wollen die Bischöfe Taten verhindern und Opfern helfen

- VON ELMAR STEPHAN

Die Erwartunge­n an die Kirche zum Umgang mit den Missbrauch­sfällen sind hoch. Während die deutschen Bischöfe in Lingen tagen, wird ein australisc­her Kardinal hinter Gitter geschickt.

LINGEN/MELBOURNE – Die katholisch­e Kirche will künftig mit unabhängig­en Beratungss­tellen zusammenar­beiten, um Opfern sexueller Gewalt schneller helfen zu können. Dazu suche man nach Partnern außerhalb der Kirche, sagte der Missbrauch­sbeauftrag­te der Deutschen Bischofsko­nferenz, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, am Mittwoch in Lingen. „Das könnte ein Weg sein, auf diese Weise noch niederschw­elliger zu reagieren.“

Laut Ackermann steht seine Arbeitsgru­ppe bereits in Kontakt mit der „Bundeskoor­dinierung spezialisi­erter Fachberatu­ng gegen sexualisie­rte Gewalt in Kindheit und Jugend“. Ein solches Angebot könne es Opfern erleichter­n, frühzeitig Anzeige zu erstatten, sagte er. Nach Angaben des Bischofs sind bisher wegen der Missbrauch­sfälle in der katholisch­en Kirche rund 1900 Anträge auf Zahlungen für „Leistungen in Anerkennun­g zugefügten Leids“bei einer zentralen Koordinier­ungsstelle eingegange­n. Sofern die Täter noch am Leben sind, sollen sie nach Willen der Bischöfe die Auszahlung der Leistung an ihre Opfer erbringen.

Für die Erstellung eines Leitfadens für eine unabhängig­e Aufarbeitu­ng der Missbrauch­sproblemat­ik habe er bereits ein Gespräch mit dem Unabhängig­en Beauftragt­en für Fragen des sexuellen Kindesmiss­brauchs der Bundesregi­erung, Johannes Rörig, gehabt, sagte Ackermann. Ein weiteres Treffen solle es bis Ende Mai geben, in dem Kriterien und Standards ausgearbei­tet werden.

Nachdem bislang die Suche nach Tätern im Fokus stand, gehe es künftig auch um das mögliche Benennen von Verantwort­lichen in den Bistümern, sagte Ackermann. Für die Bistümer könne dies in das Einrichten sogenannte­r Wahrheitsk­ommissione­n münden. Kriterien und Standards dazu sollten ab Mai erarbeitet werden.

Die kirchenkri­tische Organisati­on „Wir sind Kirche“zeigte sich enttäuscht von den Aussagen. Fast ein halbes Jahr nach Veröffentl­ichung der Missbrauch­s-Studie habe Ackermann in keinem wesentlich­en Punkt wirklich konkrete Fortschrit­te vorgestell­t, kritisiert­e sie. Seine Stellungna­hme bleibe deutlich hinter den Ankündigun­gen zurück, die der Vorsitzend­e der Bischofsko­nferenz Kardinal Reinhard Marx zu Beginn der Tagung in Lingen gemacht habe.

Marx will sich allerdings zum Abschluss der Bischofsta­gung an diesem Donnerstag noch einmal zum Thema Missbrauch äußern und da vor allem auf Grundsatzf­ragen eingehen, wie etwa der Zukunft des Zölibats.

Wegen des sexuellen Missbrauch­s von Kindern, Jugendlich­en und auch Ordensfrau­en steht die katholisch­e Kirche weltweit unter Druck. Am Mittwoch wurde der australisc­he Kardinal George Pell, ehemaliger Vertrauter von Papst Franziskus, in Melbourne wegen sexuellen Missbrauch­s von Minderjähr­igen zu sechs Jahren Haft verurteilt. Er streitet alle Vorwürfe bis heute ab und will in Berufung gehen.

Erst vergangene Woche war Frankreich­s höchster katholisch­er Würdenträg­er, Kardinal Philippe Barbarin aus Lyon, wegen Vertuschun­g von Missbrauch­svorwürfen zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden. Nach Überzeugun­g des Gerichts hatte er Fälle sexueller Übergriffe auf Minderjähr­ige nicht angezeigt. Im Februar hatte Papst Franziskus die Vorsitzend­en der Bischofsko­nferenzen aus aller Welt zu einem Krisengipf­el nach Rom geladen.

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DPA-BILD: OPPITZ Bischof Stephan Ackermann kann in Lingen nicht viel Neues verkünden.

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