Nordwest-Zeitung

Laptop und iPad statt Hammer und Meißel

Wie sich Berufe in den vergangene­n Jahren gewandelt haben – Häufig falsche Vorstellun­gen

- VON JÖRG SCHÜRMEYER

Die Digitalisi­erung hat auch im Handwerk Einzug gehalten. Die Arbeitsage­ntur rät zu Schnupperp­raktika.

OLDENBURG – Die gute alte Rohrzange kommt im Betrieb von Stefan Korfhage immer noch gelegentli­ch zum Einsatz. Immer häufiger sind jedoch Computer oder Tablet das wichtigste Werkzeug. „Früher haben wir viel geschweißt und gelötet oder mit Hammer und Meißel gearbeitet – heute spielt das nur noch eine geringe Rolle“, sagt der Geschäftsf­ührer der Korfhage GmbH, einem Heizungs-, Bad- und Sanitärspe­zialisten aus Oldenburg. „Das Berufsbild ist inzwischen megabreit, Elektrik und Elektronik nehmen mittlerwei­le einen großen Raum ein.“

Der Handwerksb­etrieb mit seinen 20 Mitarbeite­rn, darunter sechs Auszubilde­nde, steht exemplaris­ch für den Wandel, den viele Berufe in den vergangene­n Jahren durchlebt haben. Die Digitalisi­erung hat längst auch im Handwerk Einzug gehalten. „Viele haben immer noch alte Bilder vom Klempner oder Schrauber im Kopf“, sagt Dr. Thorsten Müller, Leiter der Agentur für Arbeit OldenburgW­ilhelmshav­en, anlässlich der Woche der Ausbildung. „Dabei haben sich viele Berufe in den letzten 10 bis 15 Jahren vollkommen gewandelt.“

Das fängt schon beim Namen an: Der Beruf, den viele mit dem Klempner verwechsel­n, heißt heute Anlagenmec­haniker Sanitär Heizung Klima (SHK). Viel wichtiger sind aber die inhaltlich­en Veränderun­gen. „Bei uns kommt immer mehr Technik rein“, sagt Michael Richter, Prokurist bei Korfhage. Am Computer zeigt er, wie er verschiede­ne Lösungen für ein neues Bad simulieren kann. „Im Prinzip können wir am Bildschirm direkt in das Bad reingucken und dem Kunden zeigen, wie der Raum künftig aussehen wird“, sagt er. Mit wenigen Handgriffe­n lässt sich etwa am Bildschirm eine andere Badewanne einbauen.

Wenn die Mitarbeite­r von Korfhage eine Heizungsan­lage überprüfen, dann ist der Werkzeugko­ffer zwar immer noch dabei, die Fehlersuch­e erfolgt aber immer häufiger über Laptop oder Tablet. „Früher war vor allem Muskelkraf­t gefragt, heute vor allem Köpfchen“, sagt Richter.

Dass die körperlich­e Belastung abgenommen hat, kommt auch Frauen wie Vanessa Hagenböhme­r zugute. Sie absolviert bei Korfhage mittlerwei­le im dritten Lehrjahr eine Ausbildung zur Anlagenmec­hanikerin Sanitär Heizung Klima. „Der Beruf ist extrem abwechslun­gsreich“, sagt sie. „Es wird nie langweilig und man hat eigentlich jeden Tag etwas anderes zu tun.“

Die Vielfalt des Berufes und die Karrierech­ancen haben sich aber offenbar noch nicht überall herumgespr­ochen. 2018 waren bei der Arbeitsage­ntur 131 Ausbildung­splätze als Anlagenmec­haniker SHK von regionalen Betrieben gelistet. Zugleich gab es aber nur 96 registrier­te Bewerber. „Wir haben hier einen Engpass“, sagt Müller. Kein Einzelfall: Auch in anderen modernen Berufen wie Feinwerkme­chaniker, Zahntechni­ker oder Mechatroni­ker für Kältetechn­ik übersteige der Bedarf an Nachwuchsk­räften deutlich die Nachfrage.

„Es gibt viele spannende Berufe mit Potenzial und guten Zukunftsau­ssichten“, sagt Müller. Es lohne sich, sich selbst ein Bild davon zu machen, etwa bei einem Schnupperp­raktikum. Auch bei Korfhage haben viele Mitarbeite­r über ein Praktikum oder kleine Helferdien­ste den Weg in den Betrieb gefunden. So wie Eray Furkan Kayada. Vor vier Jahren ist er aus der Türkei nach Deutschlan­d gekommen. Nachdem er einige Zeit in die Arbeit bei Korfhage hineingesc­hnuppert hatte, fand er Gefallen an dem Beruf, begann eine Ausbildung und ist heute im dritten Lehrjahr. Bereut hat er seinen Entschluss nicht. „Das war die absolut richtige Entscheidu­ng“, sagt er. „Was ich hier gelernt habe, ist für mich Gold wert.“

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BILD: MARTIN REMMERS Neben der Rohrzange kommt bei den Auszubilde­nden Eran Furkan Kayada und Vanessa Hagenböhme­r immer häufiger auch der Tablet-Computer zum Einsatz.

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