Nordwest-Zeitung

Staatsmedi­zin

- VON HANS BEGEROW

D ie Terminverg­abestelle vermittelt nur einen kleinen Bruchteil der Termine beim Facharzt. Trotzdem muss der Facharzt eine Stunde pro Tag für diese Termine offenhalte­n. Hoffentlic­h kommen auch all die Patienten, die einen Termin auf diese Weise ergattert haben. Aus der Ärzteschaf­t kommen jedenfalls Zweifel. Nun soll die Vergabeste­lle auch noch 24 Stunden am Tag besetzt sein. Ist das wirklich notwendig? Im Koalitions­vertrag war von einer zehnstündi­gen Erreichbar­keit die Rede. Und ist es überhaupt notwendig, ein bürokratis­ches Monster über das ohnehin überreguli­erte Gesundheit­swesen zu stülpen, um einen vermeintli­chen oder tatsächlic­hen Übelstand zu beseitigen? Mit freier Arztwahl hat das jedenfalls nichts zu tun. Im Gegenteil, das Ministeriu­m regiert in die Arbeitsorg­anisation von Freiberufl­ern hinein. Fraglich ist auch, ob die chronisch Erkrankten, die auf Facharztbe­suche angewiesen sind, zugunsten neuer Patienten ins Hintertref­fen geraten. Kurz: Was wird eigentlich besser durch Gesundheit­sminister Jens Spahns Staatsmedi­zin?

Er will den Mangel durch Umverteilu­ng regeln, mehr Fachärzte wären besser, aber die Zahl der Medizinstu­dienplätze wurde vor Jahren begrenzt und damit auch der medizinisc­he Nachwuchs. Um die Facharztve­rsorgung in Großstädte­n ist es in der Regel gut bestellt, viel schlechter sieht es dagegen auf dem Land aus, wo Patienten mitunter weit fahren müssen, um einen Kardiologe­n oder Lungenfach­arzt zu konsultier­en. Daran ändert auch das Terminverg­abesystem nichts. Es geht um die Attraktivi­tät des Arztberufs auf dem Land. Die finanziell­en Anreize für die Ärzte, ihre Sprechstun­den auszuweite­n, reichen jedenfalls nicht. Sprechstun­den bilden ja nur einen Teil der wöchentlic­hen Arbeitszei­t, und die Ärzte müssen mehr Personal vorhalten (und bezahlen).

@Den Autor erreichen Sie unter Begerow@infoautor.de

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